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Stutenkerl

Vor vielen Wochen fand ich im email-Postfach das Schreiben einer PR-Agentur, die mich als Blogger in einen Verteiler für Aktionen rund um den „Kamps Bakery Slam“ eintragen wollte. Kamps ist eine der größten deutschen Bäckerei-Ketten mit an die 500 Filialen bundesweit. Mir war zwar nicht klar, was ich da sollte, aber ich dachte mir: warum nicht?

Zum Bakery-Slam ist nach Lektüre der verlinkten Seite auch nicht mehr zu sagen, als daß es eine auf Hochglanz polierte PR-Aktion ist dem Ziel, eine Art Clean-Label zu etablieren. Hierzu sind Kabarettisten engagiert, sind hochwertige Videos gedreht und eine Internet-Seite eingerichtet. Für Kamps heißt clean: (Zitat) „So, so. Diese Backwaren haben also ein Clean Label. Damit ist nicht etwa gemeint, dass sie von einer schwäbischen Hausfrau auf Hochglanz poliert worden sind, sondern dass ihr Gehalt an Zusatzstoffen maximal gering gehalten worden ist. Also quasi „wahrhaftige“ Lebensmittel.“

Warum bei Backwaren mit „Clean Label“ noch immer Zusatzstoffe verwendet werden, um welche es sich dabei handelt, und warum es dann trotzdem „wahrhaftige“ Lebensmittel sein sollen, darüber ist nichts zu lesen. Es bleibt auch fraglich, ob jetzt Freude darüber angesagt ist, daß auch Großbäckereien wieder sauberere Brote backen, oder Enttäuschung, daß alles so sehr nach reiner PR aussieht und womöglich keine wirkliche Änderung der Mentalität dahintersteckt. Ich möchte gewiß nicht oberlehrerhaft wirken oder besserwisserisch – aber ein wenig Kritik ist hier sicher angebracht.

Kamps

Kamps-Riesenweckmann

Die ersten beiden Einladungen waren dann auch zu Pressekonferenzen, die nichts mit der thematischen Gestaltung meines Blogs zu tun hatten. Zudem fanden sie während meiner Sprechstundenzeiten statt – also für mich illusorisch. Dann wurde mir die Zusendung eines „Weckmanns“ angeboten, um diesen zu probieren und testen. Im Münsterland heißt er übrigens Stutenkerl. Dem habe ich zugestimmt und am vergangenen Mittwoch wurde dieser Riesen-Weckmann per Kurier extra frisch ins beschauliche Münsterland geliefert (Foto rechts).

Kamps schreibt dazu im beiliegenden Pressetext: (Zitat) „Der Weckmann wird bei Kamps nach einer hauseigenen Rezeptur aus dem Jahr 1982 mit einem besonders soften Butter Hefeteig nach traditioneller Rezeptur gebacken. Es handelt sich dabei mit um das älteste Rezept aus dem Hause Kamps.“

Leider muß ich sagen, daß mich dieser Stutenkerl wie so manche andere aus hiesigen Bäckereien nicht überzeugt hat. Neben der Tatsache, daß der Teiggeschmack einzig und allein von Butter und Zucker bestimmt wird, hinterläßt die Krume im Mund auch ein trockenes Mundgefühl. Es läßt einen irgendwie gearteten Aufstrich herbeisehnen oder ein Getränk, welches den Teig befeuchtet.

Dieses „Problem“ entsteht häufig bei fettreichen Teigen, wenn nicht zusätzliche Flüssigkeit irgendwie in den Teig hineingemogelt wird.

Das hat mich dazu veranlaßt, es selbst einmal zu versuchen. Bei der Recherche stieß ich auf Stefanies „Weckmann“, und zwar das Rezept von 2009, welches mir rein von der Zusammensetzung her mehr zusagte, als das neue von 2014.

Statt eines Mehlkochstücks habe ich mich entschieden, geriebene frische Kartoffel zum Teig zu geben, um diesen etwas saftiger und feuchter zu machen. Für einen volleren Krumengeschmack, der nicht allein von Zucker und Butter bestimmt wird, sorgt wie bei Steffi ein „Pâte fermentée“. Die Teigmenge habe ich erhöht, weil ich etwas größere Stutenkerle backen wollte.

Stuten1

Meine Stutenkerle – leider etwas „untergar“ und einäugig, aber voller Aroma und Saftigkeit

Im Ergebnis bin ich mit meinem Stutenkerl ausgesprochen zufrieden, wenn man einmal davon absieht, daß ich sie noch ca. 10 Minuten länger hätte gehen lassen können und sich die Rosinen gelöst haben. Doch sie sind aromatisch-saftig und buttrig, ohne im Mund auch nur einmal die Sehnsucht nach einem Getränk aufkommen zu lassen.

Menge für 6 Stutenkerle von etwa 340 g Gewicht

Vorteig (Pâte fermentée)
350 g Weizenmehl 550
210 g Wasser (40°C)
3,5 g Frischhefe
3,5 g Salz
Wasser, Mehl und Salz etwas mischen und die Hefe darüberbröseln. Auf der Arbeitsfläche von Hand 1-2 Minuten zu einem homogenen handwarmen Teig verkneten. Zu einer Kugel formen und diese abgedeckt für mindestens 24 bis zu 48 Stunden im Kühlschrank (5°C) gehen lassen.

Hauptteig:
Vorteig (kalt)
300 g Milch (kalt)
160 g Kartoffel frisch (geschält und fein gerieben)
1 Eigelb (kalt)
700 g Weizenmehl 550
20 g Frischhefe
15 g Salz
15 g Stollengewürz (kann wegbleiben oder ersetzt werden)
Abrieb einer halben unbehandelten Zitrone
170 g Butter
180 g Zucker
Eingeweichte Rosinen zur Dekoration

Alle Zutaten außer Butter und Zucker für 4 Minuten zu einem homogenen und festen Teig verkneten.

Bei langsamer Knetgeschwindigkeit beginnen, abwechselnd die Butter in Stücken und den Zucker esslöffelweise zuzugeben. Jeweils 1-2 Minuten unterkneten lassen. Dies wiederholen, bis die gesamte Butter- und Zuckermenge vom Teig aufgenommen wurde. Hierdurch entsteht eine relativ lange Knetzeit – deswegen sollten die flüssigen Zutaten und der Vorteig kalt verwendet werden.

Gegen Ende kann die Knetgeschwindigkeit auf zweite Stufe erhöht werden. Sobald ein glatter und gut entwickelter Teig vorliegt, das Kneten beenden und eine Stunde Teigruhe bei Raumtemperatur geben.

Den gesamten Teig in Teigstücke von ca. 350-360 g teilen und diese wie folgt formen (s. auch Video):

Die Teigstücke zu einem Ballen vorformen und 10 Minuten entspannen lassen. Die Ballen etwas flach drücken und zylindrisch einrollen, dann zu etwa 30-35 cm langen Strängen ausformen.

[youtube https://www.youtube.com/watch?v=kkXI7KZLF88]

Zur Formung des Kopfs mit der Handkante ein Teigstück fast vollständig abstechen, so daß nur ein dünner Teigstreifen dazwischen bleibt. Arme und Beine mit dem Abstecher vom Strang abstechen. Eine weiße Tonpfeife auflegen und den rechten Arm darüberlegen. Mit eingeweichten Rosinen dekorieren.

Die Stutenkerle auf einem Backblech für ca. 70-80 Minuten aufgehen lassen (knappe Gare bis Vollgare). Mit Eistreiche abstreichen. Im vorgeheizten Ofen bei 200°C für 20 Minuten abbacken.

Stuten2

Locker-luftig und mit an Brioche erinnernder Krume – meine Stutenkerle

Pain d’épi mit altem Teig

Ein weiteres wunderbares Partybrot, das im Brotkorb für Abwechslung sorgt, ist das Pain d’épi. Es sieht nicht nur wundervoll aus, sondern ist auch noch enorm praktisch, da sich die Brotzacken einzeln gut abbrechen und wie kleine Partybrötchen verspeisen lassen.
So toll es aussieht, so einfach ist es gemacht. Épis macht man aus normalen Baguettes, die nach der Gare einfach mit der Schere schräg und tief eingeschnitten werden. Durch diese einfache Maßnahme erhält man die optisch tolle Brotform.

Bild

Alter Teig (Pate fermenté):
250 g Weizenmehl 550
250 g Wasser
2 g Hefe
2 g Salz
Gut vermischen, für 2 Stunden bei Raumtemperatur anspringen lassen, dann für 1- 2 Tage in den Kühlschrank geben.

Hauppteig:
504 g alter Teig
500 g Weizenmehl 550
237 g Wasser
5 g Hefe
13 g Salz
10 g Bohnenmehl

Die Zutaten ohne das Salz gut verkneten. Wenn ein homogener elastischer Teig enstanden ist, das Salz unterkneten. 90 Minuten Teigruhe, nach 45 Minuten ein mal strecken und falten.
Den Teig auf die bemehlte Arbeitsfläche geben und in 4 gleiche Teile teilen. Diese zylindrisch einrollen und 20 Minuten Teigruhe geben.
Dann nach Art von Baguettes formen und mit dem Schluß nach oben für 60 Minuten zur Gare ins Bäckerleinen geben. Danach auf das Lochblech geben, mit Mehl bestäuben und mit einer Schere alle 3 – 4 cm schräg tief einschneiden, die Teigfalze abwechselnd nach rechts und links legen. Dieser Arbeitsschritt ist nicht leicht mit Worten zu beschreiben, hört sich etwas kompliziert an, ist aber ganz einfach. Ich habe mir das genaue Procedere vor allem durch Videos im Internet angeeignet. Eines der besten Videos dazu, das ich gefunden habe, ist das von Ciril Hitz, in dem er zum einen das Formen von Baguettes zeigt, zum anderen aber auch Épis schneidet. Ein anderes hervorragendes Video ist von Lutz Geißler (Plötzblog), in dem er Épis aus Vollkornteig macht.
Bei 240° einschießen und viel Dampf geben. Nach Ende des Ofentriebes den Dampf ablassen und insgesamt 20-25 Minuten bis zur gewünschten Bräune zuende backen.