Seit ich vor knapp 10 Jahren zu den Selbst-Bäckern von Brot gestossen bin, habe ich immer mal wieder Spaß daran gehabt, Rezepte von Bäcker-Broten nachzubauen, die mir gut gefallen haben. Zum Beispiel von Tollkötters Hausbrot aus Münster.
Aktuell läuft in der Facebook-Gruppe ‚Mipano‘ eine ähnliche Aktion. Hierbei geht es um das Pane Sant‘ Abbondio, das aus dem Tessin stammt, und sich offenbar im Alpenraum seit mehr als einem Jahrzehnt größerer Beliebtheit erfreut. Entwickelt hat es der Bäcker Renato Gobbi, dessen Bäckerei aber nicht mehr existiert. Inzwischen wird das Rezept, bzw. eine entsprechende Mehlmischung, auch in Deutschland vertrieben. Es kursieren diverse Zutatenlisten, die natürlich nur einen groben Anhalt geben, was im Brot verarbeitet ist und die Zutatenverhältnisse allenfalls erahnen lassen.
So ist manchmal von gekochtem Sauerteig die Rede, ein anderes Rezept ist mit Roggenmehl, wieder andere ohne Roggen. Offenbar gibt es da unterschiedliche Interpretationen oder Lizenzen. Auch vermute ich, dass das Rezept für die jeweiligen Länder mit landestypischen Mehlen „umgebaut“ wurde, um die Rohstoffkosten gering zu halten. Somit dürfte das Sant‘ Abbondio hier und dort ein wenig unterschiedlich schmecken.
Die Mönsheimer Mühle, zwischen Pforzheim und Stuttgart gelegen, scheint für den Vertrieb in Deutschland zuständig zu sein. Dort wird das Brot einen jeden Donnerstag frisch gebacken und verkauft. Die liebe Monika Möhwald-Doelz war so nett, mir zwei der dort erstandenen Brot zuzuschicken – am Freitag waren sie schon da. Es ist wirklich sehr lecker und aromatisch-saftig, so dass ich um einen eigenen Backversuch nicht mehr herumkam.
Insbesondere bei der Bäckerei Kurz (Link siehe oben), hört sich das Ganze recht kompliziert und aufwändig an. Ich habe, ganz getreu dem KISS-Prinzip (‚keep it small and simple‘), das Rezept so weit vereinfacht, wie möglich. Verzichtet habe ich auf „gekochten“ Sauerteig, vor allem, weil ich nicht auf die Sauerteig-Fermentation in meinem Brot verzichten und den Hefeanteil so klein wie möglich halten wollte. Auch ein Mehlkochstück fehlt, weil ich den Teig nicht überfrachten wollte.
Der Teig wird ausgiebigst durchfermentiert, so dass er besonders locker und luftig wird. Zur Aufarbeitung habe ich die von Dietmar Kappl bekannte „Sachetto“-Technik verwendet. Hierbei wird der Teig nicht entgast, lediglich die jeweils gegenüberliegenden Ecken in der Mitte über dem Teigling über Kreuz zusammengezwackt. Der entstandene Schluss reisst dann im Ofen rustikal auf.
Links mein Brot, rechts das von der Mühle Schön lockere Krume
Ich bin mit meinem Ergebnis sehr zufrieden. Es schmeckt durchaus ähnlich dem Brot von der Mönsheimer Mühle, und meine Porung ist wahrscheinlich mehlbedingt noch schöner und luftiger. Ein empfehlenswertes Brot, für dass ihr allerdings wenn möglich ein kleberstarkes Ruchmehl nehmen solltet, sonst kann der Teig die viele Flüssigkeit nicht hinreichend aufnehmen und binden. Wenn ihr trotzdem ein 1050er Mehl nehmen wollt, sollte die Wassermenge im Autolyseteig auf 210 g reduziert werden. Garantieren kann ich aber für nichts :-).
Pane di Renato Gobbi
Zutaten
Sauerteig
- 40 g Roggenmehl 1150
- 40 g Wasser 45-50 °C
- 4 g Sauerteig-Anstellgut
Saaten-Brühstück
- 55 g Saatenmischung geröstet Leinsaat, Sesam, Sonnenblumenkerne, Kürbiskerne
- 55 g Wasser kochend
Bohnenschrot-Brühstück
- 40 g Bohnenschrot Original: Sojabohnenschrot
- 70 g Wasser kochend
Autolyseteig
- 255 g Wasser 20 °C
- 340 g Weizen-Ruchmehl kleberstark
- 84 g Sauerteig
Hauptteig
- 679 g Autolyseteig
- 8 g Roggenfärbemalz
- 1 g Frischhefe
- 9 g Salz
- 25 g Wasser zusätzlich einkneten
- 110 g Bohnenschrot-Brühstück abgekühlt, später zufügen
- 110 g Saaten-Brühstück abgekühlt, später zufügen
Anleitungen
- Für den Sauerteig die Zutaten gut verrühren und 12 Stunden reifen lassen.
- Die Bohnen mittelfein schroten und mit dem kochenden Wasser überbrühen. Abdecken und 12 Stunden quellen lassen.
- Die Saaten in einem Topf anrösten und mit dem kochenden Wasser übergießen. Auf Raumtemperatur abkühlen lassen.
- Für den Autolyseteig die Zutaten 1 bis 2 Minuten verkneten und den Teig dann 60 Minuten quellen lassen.
- Für den Hauptteig die restlichen Zutaten ausser den beiden Brühstücken zum Autolyseteig geben und einige Minuten verkneten. Die zusatzlichen 25 g Wasser schluckweise einkneten.
- Sobald sich der Teig von der Schüssel löst, die Brühstücke mit dem ersten Gang der Knetmaschine vorsichtig einkneten. Der Teig muss sich wieder von der Schüssel lösen.
- Den Teig in eine eingeölte Teigwanne legen und einmal straff dehnen und falten. 60 Minuten bei Raumtemperatur anspringen lassen.
- Dann den Teig für 24 Stunden im Kühlschrank bei 5 °C reifen lassen. Er muss sich gut verdreifachen.
- Den kalten Teig auf die bemehlte Arbeitsfläche kippen, die feuchte Oberseite nicht bemehlen.
- Mit Hilfe zweier Teigkarten den Teigbatzen in ein vorbereitetes "Bad" von Haferflocken wenden.
- Zwei der gegenüberliegenden Ecken nehmen und in der Mitte zusammenzwacken. Die beiden anderen Ecken ebenso über der eben hergestellten Verbindung zusammenzwacken. Den Teigling in die Flocken wenden, dass er rundherum Flocken aufweist.
- Mit dem groben Schluß nach unten in das Gärkörbchen befördern. Für 2 bis 2,5 Stunden reifen lassen. Dieser Schritt dauert so lange, weil der Teig noch kalt ist.
- Ofen auf 240 °C Ober-/Unterhitze vorheizen.
- Den Teigling auf den Einschießer wenden. Der grobe Schluss sollte nun etwas aufreißen. Mit viel Dampf einschießen und die Temperatur nach 5 Minuten auf 210 °C reduzieren.
- Für 55 bis 60 Minuten schön braun abbacken.
Sauerteig + Bohnenschrot-Brühstück Fertiger Teig nach dem Dehnen und Falten Fenstertest Nach 24 h kalter Reifung Auf der Arbeitsfläche abgeteilt In das Haferflocken-Bett Sacchetto formen zusammenzwacken Nochmal zwacken Im Körbchen
Viel Erfolg beim Nachbacken!
Euer Doc
Das schaut gut aus!
Gekochter Sauerteig macht bei sehr langer, kalten Gare (24 Stunden und mehr) durchaus Sinn, da die Enzymaktivität sonst Probleme machen KANN (nicht muss). Es kommt aber auch immer auf den eigenen Sauerteig und seine Enzymaktivität an. Meiner Erfahrung nach sind es oft die weich geführten Sauerteige, die ein wenig dazu neigen. Gleichzeitig verhindert man, dass das Brot eine zu starke Säurenote entwickelt – das ist ja nicht immer erwünscht.
Es gab hier: http://www.backkultur.it/news/documents/GekochterWeizensauerteig-ArtisanBericht.pdf einen interessanten Bericht zu dem Thema.
Ja, das ist plausibel. Wobei ich nach einem Neuansatz seit etwa 2 Jahren einen sehr milden, triebigen Sauerteig hier habe, der auch bei 24-stündiger Kaltgare den Teig nur leicht nachsäuert. Zudem nutze ich oft „junge“, nicht zu reife Sauerteige, die noch nicht zu viel Säure schon vom Start her in den Teig bringen. Danke für den Link!
In der mipano Gruppe wird gerne auch davon ausgegangen, dass Mehlmischungen (Cuveés) gleichzusetzen mit Backmischungen sind. Das sollte man vielleicht noch klarstellen im Beitrag, nicht dass das negativ für die genannte Mühle ausgelegt wird.
Brot steht auf der Nachbackliste 🙂
Das habe ich dort noch nicht gesehen. Hast Du ein Beispiel?
Der Post wurde inzwischen gelöscht, wieso auch immer. Habe aber Screenshots aufgrund von eigener Verwunderung über das „Drama“.
Ja, auf Facebook gibt es ja immer wieder Stürme im Wasserglas. Schick mir die Shots doch bitte an hollens@t-online.de, dann kann ich ggf. für Aufklärung sorgen.
super
Danke Dir!
Ein nicht alltägliches Brot. Das Prozedere zeigt wieder die grenzenlosen Möglichkeiten ein Brot herzustellen.
Stefanies Link zum gekochten Sauerteig ist für mich eine neue Facette. Dann sollte es auch möglich sein einen gekochten Sauerteig (aus Resten) und einen umtriebigen Sauerteig oder Hefe für eine neue Geschmacksrichtung bei bisher bekannten Rezepturen zu verwenden.
Malzstück gegen gekochten Sauerteig wäre eine neue Entscheidungsvariante.
Stefanie, welche Erfahrungen hast du mit dem gekochten Sauervorteig gemacht?
@Peter: Ich habe ihn bei meiner „Feierabend-Brote“-Reihe im Blog schon mehrfach eingesetzt. Die Feierabend-Brote sollen sehr zuverlässig lange Gehzeiten überstehen – der gekochte Sauerteig bringt hier dann eine angenehme Geschmacksabrundung. Gleichzeitig wirkt die milde Säure stärkend auf das Glutengerüst und fördert eine gute gebräunte Kruste. Und der gekochte Sauerteig lässt sich realtiv lange im Kühlschrank lagern – ca. eine Woche – was für „spontane“ Backaktionen natürlich von Vorteil ist. Der Nachteil ist, dass man keine Riesenmenge Sauerteig im Teig unterbringen kann, da man ja bei Kochstücken durchaus eine Begrenzung nach oben hat. Aber auch hier kann man beim Geschmack durchaus spielen, in dem man z.B. auf einen eher säurebetonten Sauerteig setzt.
Für mich spielen die Brote mit gekochten Sauerteigen geschmacklich niemals in der Championsleague. Auch die Brote des „Erfinders“, die ich mehrfach verkostet habe, konnten mich nicht überzeugen. Sie sind nicht so nuanciert, komplex in den Aromen, die Brote altern, sie reifen nicht- wie es bei guten Sauerteigbroten zu erwarten wäre. Debiasi hebt ja auch vor allem den Convenience-Vorteil ins Rampenlicht.
Welche Bohnen hast du genommen? Kann eine Komo Mühle sie Schriften?
Vielen Dank, Lieber Björn, für das Mitteilen deiner ‚immer neuen Kompositionen‘ .
Liebe Grüße
Anna
Ich habe Wachtelbohnen genommen und sie mit einer Gewürzmühle geschrotet.
Danke für die Antwort!
Danke dir für dieses Rezept des von uns so geliebten Pane Sant’Abbondio, so können wir dieses köstliche Tessiner Brot auch mal zu Hause nachbacken.
Viele Grüsse Sabine
Hallo Doc,
kann ich den (Soja) Bohnenschrot auch weglassen, bzw. wenn nicht, durch was ersetzen??
DANKE für die Antwort
Gruß aus dem Allgäu, Regine
Ja, kannst Du weglassen. Wird dann etwas weniger „bissig“.
Einige Gedanken zu Stefanie und Manfred (Schelli)
1. Die Brote vom Discounter spielen in der Kreisklasse. Deswegen gibt es Blog’s und Hobbybäcker.
2. Die Möglichkeit bessere Brote als in der Kreisklasse zubacken entnehmen wir auch „Hefe und mehr“ sowie „Schellikocht“. Dazu gehören mehr oder weniger die Vorteige…..
3. Von Schellis Championszunge konnte ich mich wundernd selber überzeugen.
4., Die meisten Hobbybäcker kommen da nicht ran. Sie würden auch ihre eigenen Brote mit verbundenen Augen nicht wiederfinden. Trotzdem sind es bessere Brote als unter 1.
Stefanies Kochsauerteig ist eine Subvariante für die Verwendung dieses Vorteiges. Probieren geht über studieren.
Manfred, als du dein „Never“ bei mir zurückgezogen hattest, wusste ich, mein Produkt befriedet unsere Geschmacksknospen in diesem Fall ohne eigenen Anspruch auf dein Geschmacksniveau. In Italienien konnte ich mich überzeugen, dass auch andere Produzenten dieses Niveau kannten und konnten. Dann hat es sich gelohnt!
Es muss nicht immer Kaviar oder Championsliga sein aber es kann.
Hallo Doc!
also das Brot ist für meine Familien und mich geschmacklich der absolute Gaumenschmauß!
Leider geht der Teig bei mir sehr langsam auf (max +1/3 bei 5Grad) nach ca. 40Std. Also auch das mir das Brot weg läuft.
Beim 2. Versuch habe ich wie empfohlen die Wassermenge auf 210g reduziert, was dazu geführt hat, dass das Brot nun statt 3cm hoch, auf bestimmt 5 kommt. Von den Fotos ist es aber noch sehr weit weg.
Hast Du neben weiter Wasser weg lassen, besseres Mehl (derzeit etwas schwierig) verwenden, noch mehr Kneten, weitere Tipps für bessere visuelle Erfolge? Noch mehr kneten
VG
Patrick
Böse Stimmen aus der Familie haben schon empfohlen auf Backformen umzusteigen 🙁
Du kannst auch schauen, ob Du etwas Gluten beimischen kannst oder Aquaposa, wenn Du hast. Ansonsten hilft nur Wasser reduzieren und gut kneten.
Hallo Doc,
ein tolles super Brot, schmeckt einfach Spitze. Klasse Kruste, wunderbares Aroma. Glückwunsch der Aufwand hat sich gelohnt, also man kann nicht meckern einfach oder simpel ist anders und dann noch die Beweglichkeit des Teiges😂.
Natürlich waren 2-3 Zutaten nicht im Haus. Die Bohnen wurden durch halbe Gelberbsen ersetzt, durch die Pfeffermühle gedreht und so zum Schrot verarbeitet, hat geklappt. Geschmacklich passt das keine Probleme. Roggenfärbemalz konnte ich aus Roggenmalz mit 5g Kakao umfunktionieren😉, also waren es am Ende 21g. Nur konnte ich nach der ganzen Arbeit wieder nicht warten und habe die letzte Reife um 1Std verkürzt, das hat sich natürlich etwas bemerkbar gemacht. So schön hoch aufgegangen ist es nicht, ich würde sagen ca.60% -70% von der Höhe, aber trotzdem luftig und schöne Poren.
Vielen Dank für das tolle Rezept, es kommt in meine Liste der Hausbrote, einfach Spitze.
Grüße aus dem Bergischen Land
Rudolf