Weiter geht es mit dem Backtagebuch, in dem Lutz und ich ein wenig aus dem Nähkästchen plaudern, wie es uns bei der Herstellung all der Brote für das in diesen Tagen erscheinende Brotbackbuch Nr. 2 ergangen ist. Wer Teil 4 nachlesen möchte, schaue bitte hier.
Tag 5, Donnerstag, 31.07.2014
Nein, Björn hat es nicht ganz geschafft. In der Nacht ergreift eine Atemwegsentzündung, die sich schon zwei Tage ankündigte, von Björn Besitz, an richtigen Schlaf ist nicht zu denken zwischen Schnäuzen und Husten. Nein, einfach darf diese Backwoche offenbar nicht sein… aber es trifft ja den Richtigen. Da kann der Hausarzt mal für sich selbst in die Trickkiste greifen! Zum Glück hat er so eine Trickkiste immer dabei. Um 5.20 Uhr steht er also wieder in der Backstube bereit mit etwas Wattegefühl im Kopf.
Konzentriert wird losgebacken, ein Dinkelbrötchen nach dem anderen aus dem Ofen gezogen und erste Roggenteige gemischt und in Brote verwandelt. So langsam hat die Routine Einzug gehalten, wenn auch nicht alles sofort gelingt.
Ein paar Worte zum Teigführungs- und Temperaturmanagement in unserer Backwoche: Da in der Plötz‘schen Backstube weder ein Kühlraum, noch ein temperaturgesteuerter Profigärschrank zu finden ist, gibt es an allen möglichen Stellen Plätze für die Teigruhe. Weil in der Backstube vor allem vormittags konstant drei Backherde laufen, dazu noch mehrere Lampen, Knetmaschinen und nicht zuletzt zwei herumeilende Männer Wärme erzeugen, ist es auch mit Schüttwasser aus dem Kühlschrank kaum möglich, „normale“ Teigtemperaturen zu erreichen.
So ein Souterrain hat mehr Temperaturunterschiede, als gemeinhin geglaubt wird, wie Björn erfahren konnte. Lutz hat das genau ausgeklügelt. Jeder Abstellort für die Teigschüsseln ist mit einem kleinen Mini-Thermometer für die Überwachung der Lufttemperatur ausgestattet. Ich nenne nur die wichtigsten Plätze, geordnet nach Temperatur:
1. Arktische Kälte: Der Eisschrank bei -18°C. Öffnet man diesen, fallen sogleich unzählige Brote aus früheren Backtagen heraus und die Tür läßt sich nicht wieder schließen. Wegen Überfüllung geschlossen…
2. Subarktische bis hochalpine Kälte: ca. -2 bis +2°C, der Kühlschrank der Einlieger-Wohnung, auf „Super-Frost“ eingestellt. Hier sind uns ein bis zwei Brote etwas angefroren und mußten vor dem Backen erst mal am Gär-Platz Nr. 7 wieder zum Leben erweckt werden. Dieser Platz war die einzige Möglichkeit, unsere warmen Teige überhaupt über die Nacht zu bringen.
3. Frischer erzgebirgischer Sommermorgen: der Kühlschrank der Backstube, etwa zwischen 4°C (unterster Einschub) und 10°C (oberster Einschub), etwas überfordert mit der Übernachtgare von vier Broten. Hat uns einigen Ärger bereitet.
4. Kühl und schattig: Der Fußboden im Plötz‘schen Flur: ca. 18-20°C, hier gingen die Hefevorteige und so manche Brote, bei denen die Teigtemperatur zu hoch geraten war.
Der Fußboden, mit etwa 19°C ein guter Gärplatz für Hefevorteige.
5. Ein Platz an der Sonne: Der Tisch im Plötz‘schen Arbeitszimmer unter dem offenen Fenster. Um die 20-22°C. Vorteig und Teig-Reifeort.
6. Die Backstubenregaletagen: von 24°C (unten) bis ca. 30°C (oben), je nach Bedarf. Weiter oben gingen oft die Sauerteige, die im do-it-yourself-Gärschrank keinen Platz mehr hatten.
7. Der Vorhof zur Hölle: zwischen 30-34°C: auf dem Backofenschrank. Hier gingen Vorteige und Teige, die nicht in die Gänge kamen.
Auf den Backöfen bei etwa 30° – wenn es mal schneller gehen musste…
8. Das Fegefeuer: zwischen 210-300°C: unsere drei Backöfen, hier traten die Teige ihren letzten Gang an und wurden – zumindest meist – zu wundervollen Broten.
Woran man jeden von uns heute außerhalb der Backstube gut erkennt: Mehlspuren an verschiedenen Körperteilen und zwei kleine rote Äugelein. Letztere besonders bei Lutz: mehr als 12 Stunden Schlaf hat der Mann seit 5 Tagen nicht bekommen. Bewundernswert. Björn mag zwar nur ungern eingestehen, dass das Alter bei ihm langsam an der Ausdauer nagt, es bleibt ihm aber nichts anderes übrig.
Abends müssen nach über 16 Stunden konzentriertem Backen für den nächsten Backtag noch gefühlte 20 oder mehr Sauerteige angesetzt werden. Wie Björn danach noch den Weg zum Fichtelberg hinauf gefunden hat, ist aus heutiger Sicht nicht mehr nachvollziehbar.