Vergangenen Montag und Dienstag habe ich am Weinheimer Brotforum teilgenommen, einer Veranstaltung der Bäckerakademie in Weinheim.
Mal kein Kurs. Mein Interesse erregte diese Veranstaltung, weil vor vier Jahren dort Lutz Geißler schon einmal im Namen der „Quereinsteiger“ und Hobbybäcker einen beachtlichen Vortrag gehalten hat. Die darum entstehenden Diskussionen habe ich damals mit Interesse verfolgt und mich daran beteiligt.
Es treffen sich dort bekannte Größen der Branche, um über den aktuellen Stand und die Zukunft des deutschen Bäckerhandwerks zu diskutieren und Erfahrungen auszutauschen. In diesem Jahr standen unter anderem bekannte Bäcker wie Max Kugel, Josef Hinkel, die Wild-Bakers, „Wacken-Bäcker“ Axel Schmidt und Dietmar Kappl auf der Bühne. Auch Reto Fries von der Fachschule Richemont, Prof. Michael Kleinert und Manfred Schellin sowie weitere Fachleute hielten Vorträge. Als Vertreter der „Größeren und Großen“ waren Martin Dries (Bäcker Dries) und Norbert Lötz, Geschäftsführer von Harry Brot, anwesend.
Die Vorträge waren sehr interessant gestaltet – es wurde vor allem deutlich, wie sich die verschiedenen Brot-Agonisten eine Nische gesucht haben und ihr Markenprofil schärften, um sich von der Masse abzuheben. Mich freute vor allem dabei, daß dabei nicht nur die Show-Elemente hervorgehoben wurden, sondern immer wieder das Produkt „Gutes hochwertiges Brot“ im Vordergrund stand.
„Ich will vor allem geiles Brot backen!“ – den Spruch hörte man immer wieder. Daß das auch so ist, konnte zwischen den Vorträgen bei Brot-Verkostungen verifiziert werden.
Höhepunkt für mich war die Podiumsdiskussion am Nachmittag, bei der Prof. Michael Kleinert, Max Kugel, Josef Hinkel und Norbert Lötz unter Einbeziehung des Publikums äußerst kontrovers darüber diskutierten, was gutes Brot wirklich ausmacht und ab welcher Größe eines Unternehmens die Herstellung guten Handwerksbrotes noch nachvollziehbar möglich ist. Dabei fielen wichtige Aussagen wie die Notwendigkeit, mehr Transparenz gegenüber den Kunden zu schaffen im Hinblick auf die Verwendung von Backmitteln und dem Zukauf von Tiefkühl-Ware. Die Diskussion war ehrlich, gelegentlich auch emotional aber vollkommen konstruktiv.
Abgerundet wurde die Veranstaltung von hervorragender Bewirtung durch die Akademie, so daß die Brotverkostung zu einem kulinarischen Erlebnis wurde. Didi, an das Roggenmischbrot 70/30 mit Schwarzroggen und Fenchel denke ich noch heute!
Mein persönliches Fazit: Ich habe den Eindruck, daß die Branche inzwischen richtig wach geworden ist und sich vor unseren Augen eine sehr positive Entwicklung abspielt. Natürlich können nicht alle Bäcker auf der Bühne in Wacken stehen, aber solche Beispiele können transportieren, wie toll gutes Brot ist und damit dem Niedergang des Bäckerhandwerks wirkungsvoll etwas entgegensetzen. „Hier sind sowieso nur die, denen das klar ist!“ sagte einer der Referenten. Mag sein, doch je mehr das werden, um so besser.
Ich habe viele interessante Bäcker kennengelernt, gute Gespräche geführt. Und kann nur sagen: weiter so!
Manfred Schellin und Dietmar Kappl, wie sie laiben und leben. Doc, da wird es doch Zeit das „Geile Roggenmischbrot mit Fenchel“ mal aufzulegen. Ich hatte das Vergnügen ein Kapplbrot mit gerösteten Fenchelsamen zu backen. Bereits beim Rösten kam Göga mit Lichtgeschwindigkeit und 1000 Nasen hocherstaunt in die Küche, „riecht ja wie Weihnachten.“ Ein Brot sollte auch ohne Gewürze bereits sehr gut schmecken… aber manchmal oder auch öfter kann ein i-Tüpfelchen den Unterschied ausmachen.
Marla 21 ihr Würzsenf aus dem Brötchenrezept Weltmeisterbrötchen ist auch so ein i-Tüpfelchen.
Wenn sich die „Größen der Branche“ treffen, um über die Zukunft des Deutschen Bäckerhandwerks zu diskutieren, dann sollte klar sein, dass es eben diese Großen sind, die den Takt vorgeben. Da ich mich selbst – obwohl das Bäckerhandwerk gelernt – als Hobbybäcker bezeichnen würde, stehe ich derartigen Runden eher skeptisch gegenüber. Denn am Ende geht es wohl um Lobbyismus. Und dieser steht eben ganz eindeutig nicht für ein Handwerk, welches im Sinne seines Ursprungs für eine Brotbereitung nach alten, einfachen, zeitintensiven und sauberen – sprich ohne „Verarbeitungshilfsstoffen“ Zutaten auskommt. Stattdessen steht dem ungebremsten technischen Fortschritt in immer weniger aber dafür größeren Industriebetrieben eine kleine Minderheit gegenüber, die – wenn man es zynisch ausdrücken wollte – sich um das „Hobbybrotbäckerheil“ kümmern darf. Zugegeben: eine eher düsteres Bild, das ich da zeichne und welches vermutlich auch nicht allen gerecht wird. Aber die Tatsache, dass Brotbacken als elitäres Handwerk nur von Meistern ihres Faches ausgeübt werden darf (Ausnahmen bestätigen diese Regel) bestätigen diesen Eindruck. Wir stehen wohl auch deshalb immer noch am Beginn eines langen (Back)Prozesses.
Gerade diesen Eindruck hat das Brotforum nicht vermittelt. Klar, da waren vielleicht auch ein paar „Großkopferte“, aber fast jeder Bäcker mit dem ich sprach, zeigte ehrliches Interesse an gutem sauberen Brot. Ich glaube nicht, daß das alles nur Lippenbekenntnisse waren.
Das ist ja doll! Endlich kümmert man sich in den höheren Etagen um Brot/Brötchen als Lebensmittel, ehe deren Geschmack und Zutaten den Bach runter gehen.
Man muss es einfach pragmatisch sehen, je mehr das Interesse an guten Lebensmitteln (man ist, was man isst) öffentlich gemacht wird, desto mehr werden dafür sensibilisiert. Es ist kein Wunder, dass viele Menschen mittlerweile dem Brot als Industrieware skeptisch gegenüber stehen und darum einen großen Bogen machen. Ein Beweis dafür, dass hier im schwäbischen Brotbackhäusle renoviert werden und für Interessenten Termine zum Brot backen vergeben werden.
In diesem Kontext finde ich überaus wichtig, dass man nicht nur hinter X-Ecken erfahren sollte, dass die Großmühlen in ihr Mehl Enzyme und Verarbeitungsstoffe rein tun dürfen und diese nicht (!) deklarieren müssen, die aber der Kunde mit bezahlt und mitleidet wenn er allergisch ist/wird.
Da zählt dann auch, weniger ist mehr und für ein schmackhaftes Ergebnis zahlt man schon mal mehr, isst eben auch weniger. Was nicht das schlechteste sein soll.
Im vergangenen Jahr war ich in Tartine Bakery, San Francisco und schaute mir das an. Um 16 Uhr !! kommen die Brote aus dem Backofen und die Leute stehen Schlange um sich ein Mehrpfünder für umgerechnet einen stolzen Preis von 16 EUR zu kaufen.
Dabei muss ich sagen, Dietmar vermittelt sehr relaxed und total super das Brotbacken!! Dieses Jahr gehe ich zu einem Wild-Baker.
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