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Brotreise II: Kurs „Alte Backverfahren“ Akademie Weinheim

Wie schon angekündigt, habe ich eine zweite Brotreise gemacht. In der Akademie des Deutschen Bäckerhandwerks in Weinheim fand erneut ein Kurs über „Alte Backverfahren – neu entdeckt“ statt. Beim Stöbern durch das Kursangebot der Profischmiede fiel mir dieser Kurs im vergangenen Jahr auf.

Unter Leitung von Johannes S. Becker, Bäckermeister aus Keltern-Ellmendingen, ging es darum, vergessene Backverfahren wieder aufleben zu lassen und Wege zu beschreiten, wie sie auch in modernen Backstuben wieder angewandt werden können. Ich fand die Beschreibung äußerst vielversprechend. Unterstützt wurde Herr Becker von Felix Rommel, der zum Team der Akademie gehört, und den manche schon von seiner Zeit bei Häussler kennen.

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Die beiden Kursleiter. Johannes S. Becker und Felix Rommel.

 

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Die abgewogenen Zutaten

Herr Becker ist übrigens ein Mensch, der mir sofort sympathisch war. Er hat einen trockenen Humor, sehr viel Erfahrung und verliert sich nicht in Belanglosigkeiten. Seine Vorträge sind nicht mit anekdotischen Erzählungen überfrachtet, sondern drehen sich um das Wesentliche.  Auf Nachfragen kommt eine kompetente und fundierte Antwort. Ein guter Kursleiter.

Im Kurs traf ich auch auf hochmotivierte und interessierte Bäckermeister, die zum Teil schon wieder den „Pfad der Tugend“ beschreiten und auf Abkürzungen und Turbo-Teige verzichten. Ein Müller war dabei und ein Bäcker, der sich in Dubai selbstständig gemacht hat und die Emiratis dort mit gesundem, sauberen Brot begeistert.

 

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Links Bernd Kütscher, der Leiter der Akademie Weinheim

Themen waren unter anderem das Bruchstück, Sauerteige und das Prinzip der langen, überwiegend kalten Teigreifung, sowohl in Stock- als auch in Stückgare. Ein Bruchstück ist im Grunde ein gesalzener Hefevorteig, ein anderes Wort für „Alter Teig“, der täglich zum Ansetzen eines Brotteiges verwendet, und nach der Herstellung des Brotteiges wieder abgenommen und bis zum nächsten Tag gelagert wird.

Die obigen Bilder zeigen uns bei der Arbeit an den Teigen.

Die Hefemengen hielten sich sehr in Grenzen, oft unter 1 % im Bezug auf die Mehlmenge, und es wurde ausschließlich Bio-Flüssighefe verwendet. Einige Teige wurden rein durch Sauerteig getrieben, hierbei kam sowohl Weizen- wie auch Roggensauerteig zum Einsatz. Teige gingen überwiegend mehr als 24 Stunden! Das Spektrum der gebackenen Rezepte reichte vom Roggen-Schwarzbrot über Roggensauerteigbrote, Mischbrote und Weizensauerteigbrote bis zu Baguettes und schwäbischen Seelen. Highlight des Kurses war der Guglhupf. Ein ausgezeichnetes Rezept, dessen Ergebnis mich an sehr gute Panettone und Brioche erinnerte. Und von dem ich sträflicherweise kein Bild gemacht habe.

Ich denke, die Ergebnisse sprechen trotzdem für sich.

Natürlich kann ich keine Rezepte veröffentlichen, da diese urheberrechtlich geschützt sind. Für meine Begriffe waren sie jedoch alle sehr stimmig und schlüssig. Sie folgen jenen Prinzipien, die wir Hobbybäcker uns zumeist auf die Fahne geschrieben haben. Lange Teigreifung, viel Zeit fürs Brot und gute Zutaten. Die Rezepte enthielten Raum für Unwägbarkeiten, keines war auf Grenzgängerei aus. Das finde ich immer sehr wichtig. Es macht mir einen Rezeptautor sofort sympathisch, wenn ich das sehe.

Manche der vorgeschlagenen Methoden dürften echten Sauerteigpuristen einen Schauer über den Rücken jagen. U.a. die Empfehlung, beim Füttern eines Sauerteiges etwas Korinthenpüree zuzugeben. Das ist aber gar nicht so unclever: Das Korinthenpüree enthält Fruchtzucker, welcher für die Hefen sofort als Nahrung zur Verfügung steht und damit die Hefeführung eines Sauerteiges verbessert. Und damit die Triebkraft verbessert.

Auch wird es vielen widerstreben, zum Beispiel Zwiebelgranulat, natürlich in sehr kleiner Menge, zum Sauerteigansatz zu geben. Doch Johannes Becker schwört darauf, weil es Fremdgärungen verhindern soll. Nun ja – der Mann hat inzwischen Jahrzehnte Berufserfahrung und konnte schon vielen Bäckern mit seinen Ratschlägen zu guten und triebstarken Sauerteigen verhelfen. Es ist „altes, tradiertes Wissen“, das er weitergibt.

Mir kam nämlich zu Ohren, im Kurs würden fachliche Ungenauigkeiten oder Fehler gelehrt.

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Der Brotdoc mit 3 kg-Hausbrot-Laib (Bild wurde freundlicherweise von Ole Petscheleit nachbearbeitet)

In solchen Fällen finde ich es immer wichtig, nicht auf irgendwelche reinen Lehren zu pochen, sondern die erworbenen Kompetenzen von anderen Menschen zu achten. Wir alle erlangen in unserem Leben eine Vielfalt an Erfahrungen und Kompetenzen, die uns auf unserem Weg helfen. Das macht jeden von uns zu einem einzigartigen Wesen, dem wir mit Respekt begegnen sollten. Viele Wege führen nach Rom und wie heißt es so schön: „Entscheidend ist, was hinten rauskommt“. Wie ihr sehen könnt, kam sehr Gutes und Schmackhaftes dabei heraus. Wer es nicht mag, muß es ja nicht so machen.

Eine kleine Kritik habe ich am Kurs: Mir fehlte etwas die Zeit für theoretische Hintergründe. Was sind alte Backverfahren? Wie wurde vor 100 Jahren gebacken? Mit welchen Rohstoffen buk man damals und wie erreichte man trotz Einschränkungen gute Ergebnisse? Warum kam man auf dieses oder jenes Verfahren und warum funktionerte es?

All das klang zwar zwischendurch an, während die Teige bereitet, bearbeitet und gebacken wurden. Doch ich hätte mir hier ein wenig mehr Zeit für Theorie gewünscht, selbst wenn ein Rezept weniger geschafft worden wäre. Es würde den Kurs noch deutlich aufwerten.

Der Kurs wurde nun zum wiederholten Male angeboten. Die Akademie Weinheim ist eigentlich auf die Ausbildung von Bäckern ausgerichtet. Wie der Leiter, Bernd Kütscher, mehrfach schrieb, sind aber auch Enthusiasten und Hobbyisten mit einer gewissen Fachkenntnis in der Akademie willkommen. Das kann ich bestätigen, ich habe mich dort sehr wohl gefühlt unter all den Bäckern. Keiner begegnete mir mit Ablehnung oder Unverständnis.

Falls von Euch jemand an Kursen Interesse hat, schaut Euch die Seite der Akademie einmal an. Ich empfehle allerdings wirklich, daß ihr schon eine gute Grundkenntnis des Brotbackens mitnehmt. Man hält sich dort nicht mit Basiswissen oder Erklärung selbstverständlicher Dinge auf. Es geht „zur Sache“!

 

 

 

Brotreise 1: Sauerteig-Hands-on-Kurs Berlin

Am vergangenen Samstag habe ich wieder eine meiner kleinen Brotback-Verrücktheiten gewagt. Für knapp einen Tag nach Berlin fahren und an einem Backkurs teilnehmen.

Seit kurzem hat sich ein neues Kursleiter-Gespann gebildet mit dem Vorhaben, uns Hobbyisten die saubere Brotbäckerei näher zu bringen. Der schon weithin bekannte Manfred Schellin, Biochemiker und Sauerteigexperte, bot mit Thomas Schmitt, den man in den einschlägigen Brotbackgruppen eher unter dem Pseudonym „Tom Cash“ oder „Tom the Baker“ kennt, Kurse zum Erlernen fortgeschrittenerer Backwaren an.

Tom startet gerade eine Serie von interessanten Backkursen, in denen er seine 20-

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Alo, Schelli und Tom – ein Dream Team (Bild: Tom Cash, mit freundl. Genehmigung)

jährige Erfahrung als Bäcker weiter gibt. Beruflich arbeitet er als selbstständiger Bäckereiberater und Autor. Seine Rezeptideen sind äußerst interessant, vor allem im Hinblick auf die Kombination der nicht alltäglichen Brotzutaten. Außerdem ist er ein „töfter Kerl“, wie man hier in Westfalen sagt.

Also Berlin, 12.05.18, KochBar in der Joachim-Karnatz-Allee. Im „Schlangen-Gebäude“, wie meine Tochter es nannte, als wir uns das in Google-Maps angesehen haben. Schon drei mal war ich dort zu Backkursen – eine tolle Kursküche mit noch tollerem Leiter, Alo Theis. Freue mich jedes mal, dort wieder hin zu kommen. Glücklicherweise ist Berlin von mir aus mit dem Zug perfekt zu erreichen,  nur einmal umsteigen. Von Haustür bis Berlin Hbf etwa 4 1/2 Stunden.

So war um 04.30 Uhr die Nacht zuende und um 05.30 Uhr saß ich mit meiner Großen im Zug nach Berlin. Shadi ist nämlich am 11.05. vierzehn Jahre alt geworden und hat sich sehnlichst gewünscht, Berlin auch mal zu sehen. Alles verlief planmäßig, um zwanzig nach zehn waren wir dort und wurden schon vor der Tür von verführerischem Brotduft empfangen.

Unter anderem konnte ich endlich Valesa Schell einmal kennenlernen, auch Michael Bartsch und Steffi Grauer waren Teilnehmer des Kurses. Auch war es klasse, Sebastian Marquardt, Herausgeber des Magazins Brot, einmal kennenlernen zu dürfen. Ein echtes „Gipfeltreffen“ bekannter Gesichter und Brot-Enthusiasten.

Orangen-Panettone, Vinschgauer, verschiedenste Roggenbrot-Variationen unter Verwendung unterschiedlicher Sauerteige, Tartine-Style Brot von Michael Bartsch, Pane di Altamura und Paderborner Landbrot entstanden unter fachlicher Anleitung von Schelli und Tom. Alles reine Sauerteiggebäcke. Auch viel Sauerteigtheorie wurde erläutert. Alles, während Alo uns kulinarisch verwöhnte.

Einige Bilder vom Geschehen:

 

Ich wünsche Tom und Schelli, daß sie mit ihren Kursen ihr Wissen noch vielen Menschen vermitteln können werden. Für die Einladung nach Berlin danke ich herzlich.

Shadi und ich ließen den Tag auf den Straßen von Berlin-Mitte ausklingen, obwohl uns schon die Füße etwas schmerzten.

Doch ein paar der wichtigsten Sehenswürdigkeiten konnten wir uns ja nicht entgehen lassen. Und auch eine echte Berliner Currywurst haben wir trotz der reichhaltigen Kursverpflegung noch genossen, bevor wir die müden Knochen im Hotel hochgelegt haben. Ein toller und unvergeßlicher Tag!!

Brotreise 1 impliziert übrigens, daß es nicht die einzige Reise ist. Morgen breche ich in aller Frühe zur Akademie in Weinheim auf, wo ich hoffentlich viel über alte Backverfahren lerne. Bin schon sehr gespannt.

Die Drax-Mühle…

Auf dem Rückweg aus Südtirol hat es endlich geklappt: ein Besuch in der Drax-Mühle. Dort bestelle ich sehr gerne meine deutschen Mehle, vor allem aber schätze ich die Philosophie die dort gelebt wird: Leben von und mit dem, was uns umgibt: die Natur.

Ich hatte den Besuch schon eine ganze Weile vor, doch es kam immer wieder etwas dazwischen, zuletzt Anfang des Jahres, als eine Auto-Havarie mir einen Strich durch die Rechnung machte.

Zum Glück sind wir öfter in der Gegend im Urlaub oder kommen auf der Rückreise dort vorbei.

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An der Einfahrt zur Mühle.

Die Drax-Mühle liegt nahe Rechtmehring in malerischer Landschaft östlich von München am „Hochhausbach“, der schon seit hunderten von Jahren Mühlen angetrieben hat. Von den 4 ehemals dort bestehenden Mühlen ist die Drax-Mühle die einzige, die übrig blieb.

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Weit schweift der Blick…

Monika Drax ist eine der wenigen Müllerinnen Deutschlands und durch die Presse und ein sehr empfehlenswertes Buch inzwischen recht bekannt. Ich durfte sie beim Besuch auf dem Lorettohof vor genau einem Jahr bereits kennenlernen.

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Das Mühlrad

Monika nahm sich trotz der in vollem Schwung befindlichen Ernte an diesem heißen Augusttag immer wieder Zeit, um mir etwas von der Mühle zu zeigen. Als Wassermühle hat die Drax-Mühle natürlich ein Mühlrad, welches vom Bach angetrieben wird. Das Mühlrad trägt noch heute zum Teil zum Antrieb der Mühle bei, wenn auch nicht alleinig. Das ginge auch gar nicht, denn der Energiebedarf einer wirtschaftlich betriebenen Mühle ist wesentlich höher.

Der Hochhausbach ist ein schönes kühles und glasklares Gewässer, das bei den hochsommerlichen Temperaturen eine tolle Abkühlung für die erhitzten Füße bot 🙂 .

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Abkühlung gefällig?

 

So eine Mühle ist immer in mehreren Etagen aufgebaut, um den Mahlprozeß optimal durchführen zu können. Vom Getreidesilo wird das Getreide zu den sogenannten Walzstühlen geleitet, wo es zerkleinert / gemahlen wird.

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Die Walzenstühle

Von dort geht es in den Plansichter, wo durch Siebe verschiedener Größe das entstandene Mehl in Fraktionen aufgeteilt wird. Dieser Prozeß wird mehrfach durchlaufen, bis am Ende die verschiedenen Mehltypen sowie Kleie entstanden sind.

Die Mühle läuft Tag und Nacht und das Arbeitsgeräusch ist selbst von außen gut zu hören. In der Mühle selbst hört man es nicht nur, man spürt es auch, vor allem am Plansichter im obersten Stock. Vorsicht: laut! 🙂

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Vom Plansichter aus führen in verwirrender Weise Rohre zurück zu den Walzenstühlen und zu Abfüllstutzen.

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Hier kann die Müllerin in die verschiedenen Produktionsschritte hineinsehen und Mahlprodukte zur Überwachung des Prozesses entnehmen.

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Die Produkte unterscheiden sich in ihrer „Ausmahlung“, erkennbar an der Farbe. Rechts ein feines Weißmehl, in der Mitte ein dunkleres Mehl von ca. Type 1050 und links Kleie.

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Ich hatte dann noch spontan Gelegenheit, aus dem Urdinkel-Mehl 1050 der Drax-Mühle in Monikas Küche ein paar Semmeln zu backen, die gar nicht mal übel geworden sind. Es war ein toller Tag, für den ich auch an dieser Stelle Monika nochmals meinen Dank aussprechen möchte.

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Handgeknetete und geformte dunkle Dinkelbrötchen