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Ligurisches Nussbrot

Wie es scheint, hat das 65er Brot nicht nur mir selbst gut gefallen. Sein Ruf drang irgendwie auch zu Manfred Schellin vor, der inzwischen sicher als einer der deutschen Experten in der reinen Sauerteigbäckerei gelten darf. Vor allem, wenn es um das Backen mit milden Weizensauerteigen italienischer Art geht.

Eines der neueren Produkte, die er auf seiner Seite Bon’gu.de anbietet, ist die Trockensicherung eines italienischen Lievito Madre, genannt „EVA“. Ein aus Ligurien stammender Lievitista hat diesen LM für die Meraner Mühle gezüchtet. Als in interessierten Kreisen der Hype um EVA im Spätsommer und Herbst 2017 auf dem Höhepunkt war, war ich noch sehr mit meinem eigenen LM und mit einem anderen Brotback-Projekt beschäftigt. Zudem ist meine Freizeit im Moment etwas begrenzt.

Nun wurde es Zeit, EVA mal zu testen. Hierzu hat mir Schelli, angeregt durch das 65er, eine kleine Probe inklusive eines neuen italienischen Tipo 0 Mehles zukommen lassen, wofür ich herzlich danke. Das Tipo 0 orange ist ein helles Weizenmehl mit „normalem“ Klebergehalt, in etwa vergleichbar mit einem hochwertigen deutschen 550er Mehl. Und es ist der Grundstoff, aus dem EVA seine Nahrung zieht.

Ligurisches Nussbrot. Gelockert wie ein Hefebrot, mildaromatisch und mit Suchtfaktor

Ursprünglich wollte ich heute einen Vergleich veröffentlichen zwischen EVA und meinem eigenen Lievito Madre, den ich seit zweieinhalb Jahren hege und pflege. Leider hat es sich herausgestellt, daß die Rezeptparameter nicht angeglichen werden können. Mit EVA lässt sich ein Teig spielend bis 50 % versäuern – mit meinem eigenen LM geht das nicht. Ich kann nur vermuten, daß das an einer sehr geringen enzymatischen Tätigkeit des EVA-LM liegt.

Es wird bei dem Teig mit meinem LM ein essbares Brot herauskommen, jedoch kein vergleichbares Ergebnis. Mal sehen, was ein zweiter Ansatz bringen wird, den ich geringer versäuert habe. Er reift gerade noch und wird sicher noch etwas brauchen. Wenn es klappt, reiche ich das Vergleichsrezept noch in diesen Artikel nach.

Das Rezept selbst selbst soll vom ligurischen Lievista stammen und zu einem ehrlichen und wohlschmeckenden ligurischen Hausbrot führen. Ich habe lediglich etwas mehr Wasser zum Lievito Madre gegeben, weil er mir im Originial Rezept viel zu fest war. Und ich habe mir erlaubt, dem ligurischen Brot gemahlene Piemonteser Haselnüsse zuzufügen. Das werden mir die Ligurier sicher verzeihen, liegt doch das Piemont gleich in der Nachbarschaft.

Das Ergebnis ist … schon eine Klasse für sich. EVA treibt verlässlich. Hier verschwimmen die Grenzen zwischen der Sauerteigbäckerei und der Bäckerei mit Hefe. Der Teig geht hervorragend auf, braucht nur unwesentlich länger als mit Frischhefe und ist so schön mild, daß es begeistert. Meinen Geschmack trifft dieses Brot fast auf den Punkt. Lediglich ein klein wenig mehr Würze / Säure, dann wäre es perfekt. Vermutlich müsste bloß der LM-Ansatz noch 2-3 Stunden länger reifen.

Lohnt es sich nun, regelmäßig EVA-Trockensicherung zu kaufen? Die Frage würde ich mit ja beantworten, wenn der Fokus auf sicher reproduzierbaren Ergebnissen und dem mildest-möglichen Geschmack liegt und man nicht jeden, oder jeden zweiten Tag, seinen LM pflegen will / kann. Wenn bei der LM-Bäckerei Flexibilität möglich ist, Individualität im Geschmack kein Problem, dann können die Kosten für EVA auch gespart werden.

Ich werde wohl in Zukunft beide Wege gehen. EVA wird sicher immer im Haus sein, vor allem, um weiter damit zu experimentieren. Meinen eigenen LM gebe ich dafür aber nicht auf.

Menge für ein großes Brot für das 2 kg Gärkörbchen oder zwei Brote für das 1 kg Körbchen

Lievito Madre
50 g EVA-Trockenstarter
275 g Wasser (20°C)
Im Kneter schaumig schlagen, dann
500 g Weizenmehl Tipo 0 orange
zufügen und zu einer festen Kugel kneten. 12-16 Stunden bei 25°C reifen lassen.

Hauptteig
825 g Lievito Madre
420 g Wasser (30°C)
500 g Weizenmehl Tip 0 orange
22 g Salz
110 g frisch gemahlene Piemonteser Haselnüsse

Alle Zutaten im Kneter für 2 Minuten sauber verkneten. Auf schnelle Knetstufe stellen und den Teig fast ganz auskneten (er löst sich fast von der Schüssel). Dann die gehackten Haselnüsse auf Stufe 1 langsam unterkneten.

Sobald der Teig fertig ausgeknetet ist überprüft bitte die Teigtemperatur. Optimal sind 27°-28°C. Ist der Teig kälter, müßt ihr ihn an einem wärmeren Ort reifen lassen, ist er wärmer, muß er an einem kühleren Ort reifen.


Die Reifezeit beträgt durchschnittlich 2 Stunden bei 25-28 °C , während der Reifeizeit sollte ein mal gedehnt und gefaltet werden. Wenn der Teig sich mindestens verzweifacht hat und sehr schön von Gärblasen durchzogen ist, kann er weiter verarbeitet werden.
Hierzu wird er auf die gut bemehlte Arbeitsfläche gekippt. Rückseite des Teigs auch gut bemehlen.
Den Teigling an einer Seite fassen und den Falz zur Mitte führen, leicht andrücken. An der Gegenseite fassen und ebenfalls den Falz zur Mitte führen. Rundherum fortfahren bis ein rundlicher Teigling entstanden ist. Dabei so vorgehen, daß möglichst wenig entgast wird.
Der Schluß darf ruhig rustikal grob sichtbar sein und muß nicht zugedrückt werden. Auf den Schluß wenden und mit der Teigkarte in Form schieben. Alternativ mit nicht zu viel Druck rund wirken. Mit dem Schluß unten (oder oben, wenn eingeschnitten werden soll) für 60 bis 75 Minuten im bemehlten Körbchen reifen lassen.
Derweil den Ofen mit Stein oder Backstahl richtig gut vorheizen auf 250°C.
Den Teigling auf den Einschießer kippen (Schluß oben) und den Schluß etwas aufreißen lassen. Alternativ einschneiden. Dann sofort mit viel Dampf einschießen und auf Ober/Unterhitze abfallend auf 215°C für 55 Minuten abbacken. Nicht zu kräftig ausbacken.
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