Vortrag: Natürliches Backen

Anfang des Jahres erhielt ich eine freundliche Anfrage der Firma Roland Mills United, einer großen Mühle in Bremen, ob ich anläßlich einer gemeinsamen Produktpäsentation in den Räumen  des Bäckerei-Großgeräteherstellers WPKemper in Rietberg einen Vortrag über „Natürliches Backen“ halten würde. Vor gestandenen Bäckermeistern und Backstubenleitern sowie Vertretern beider Unternehmen.

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Der Brotdoc zwischen den Produktpräsentationen

Trotz des absehbaren vor-urlaublichen Streß konnte ich mir das natürlich nicht entgehen lassen. Das Thema kommt offenbar langsam auch in der Fachszene wieder besser an. So hat die Rolandmühle begonnen, eine Rezeptlinie zu entwickeln, die mit Vorteigen, langen kalten Garen arbeitet und auf Zusatzstoffe verzichtet. Dazu wurden auch spezielle Mehlqualitäten entwickelt, die sich für solche Rezepte gut eignen. Also reiste ich in den vergangenen zwei Tagen zwei mal ins östliche Münsterland.

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Das Brot „Diva“ nach einem Rezept der Rolandmühle, mit speziellem Weizenmehl 1050, einem Poolish und langer kalter Gare über 20 Stunden. Ein richtig leckeres Brot.

Die Firma WPKemper entwickelt und produziert vor allem für die industrielle Brotherstellung Großkneter und Teigformungs-Automaten, die auch mit schwierigen Teigen (hohe Teigausbeute) inzwischen gut klar kommen und z.b. aus dem Stockgareteig in mehreren automatisch ablaufenden Arbeitsgängen fertig ausgerollte Baguetteteiglinge zaubern. Nach Aussage der Firma spielen alte Hemmnisse wie weiche Teige heute keine große Rolle mehr.

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„Pane Pur“, ein Teigformungs-Automat, der mit allen Teigen klar kommt

Mein Vortrag war zwischen den Präsentationen und einer Werksführung eingebaut. Eine für mich spannende Sache – wie würden die Fachbesucher auf meine Aussagen reagieren?

Vortrag-Natürliches-Backen-Rietberg

Zwar kritisch aber überaus fair muß ich sagen. Natürlich gab es Kritik, daß das alles zu aufwendig, zu teuer und vom Kunden womöglich gar nicht gewünscht oder diesem nicht verkaufbar sei. Doch es gibt wie ich finde inzwischen tolle Beispiele von Bäckern, die es wieder anders machen und erfolgreich damit sind. Zwei von ihnen habe ich im Vortrag genannt. Auch wurde seitens der Backstubenleiter gesagt, daß bereits viele von ihnen bei Broten wieder auf Zusatzstoffe verzichten und mit langen Reifezeiten arbeiten. Die Diskussionen verliefen dann ziemlich konstruktiv und haben vielleicht bei dem einen oder anderen zum Nachdenken angeregt.

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DAS ist ein Teigkneter 🙂

Alles in allem war es für mich hochinteressant und spannend, daß ich mal meine Einstellung und damit die Einstellung vieler Hobbybäcker einem Fachpublikum vorstellen konnte. Auch war es einerseits faszinierend, anderseits aber auch erschreckend, wie weit die Brotherstellung inzwischen automatisiert werden kann. Es gab gar den Prototypen eines Kneters zu bestaunen, der selbst entscheiden kann, wann der Teig hinreichend geknetet ist. Ingenieur- und maschinenbauerische Meisterleistungen, die weltweit exportiert werden und wohl stellvertretend für die Weltklasse des deutschen Maschinenbaus stehen können. Wenn jedoch Teigkneten automatisch läuft, die Gare auch und die Aufarbeitung ebenfalls: Was macht dann in Zukunft der Bäcker?

Stoff zum Nachdenken… ich fahr jetzt erst mal in Urlaub!

13 Gedanken zu „Vortrag: Natürliches Backen

  1. Rabin

    Klingt wirklich interessant und ich für meinen Teil finde es wirklich gut, wenn sich die Brotindustrie für solche Vorträge interessiert. Erwartet hätte ich es zugegeben eher nicht.

    Wünsche einen schönen Urlaub 🙂

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  2. Frank

    Es muss doch kein Fehler sein, sehr gutes Brot massentauglich herzustellen. Vielleicht werde damit überkommene Produktions- und Denkstrukturen aufgeweicht. Wir werden sehen!

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  3. Susanne und Frank

    Vielleicht kommt doch langsam was ins rollen durch Eure „Pionierarbeit“!! Wäre schon langsam an der Zeit! Wir wünschen Dir und Deiner Familie einen schönen Urlaub!
    Liebe Grüße aus Bayern
    Susanne und Frank

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  4. Karin Anderson

    Es stimmt hoffnungsvoll, dass die Backindustrie langsam anfängt, umzudenken. Und dass man dich als Hobbybäcker ohne Bäckerlehre eingeladen hat, Profis etwas zu vermitteln.
    Hoffentlich hast du einen schönen Urlaub (und nicht so ein Sauwetter wie wir hier in Maine).
    Karin

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    1. Jan

      Die Backindustrie und die Rechtsabteilungen denken bestimmt erstmal nach, wie man „natürlich“ durch Enzyme und nicht zu deklarierende Stoffe ersetzen kann.
      Zutaten kosten im Gegensatz zur Zeit/Lohn und Energie nur einen Bruchteil, also wird bei der Zeit angesetzt, siehe Folie 37: Eine Stunde Gehzeit… Und das nicht nur bei Weizengebäcken sondern auch bei Sauerteigen.

      Es ist wirklich fantastisch, dass jemand wie Björn (den ich in Münster kennengelernt habe) dort referieren durfte. Jedoch ist die Backindustrie Meister darin, genau das zu entwickeln, was die Kunden wollen, nämlich billiges Brot. Das Bäckersterben geht ja nicht ohne Grund ungehindert weiter.
      Bäckereien, die durch viel Marketing ihre guten, handwerklichen Brote für einen ehrlichen Euro verkaufen können, gibt es nicht mehr so viele.

      Schaut man sich die Absatzzahlen der Backshops an, wird einem schwindelig. Tendenz steigend ):

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      1. Karin Anderson

        Ich kann dazu meine Beobachtungen aus Maine beisteuern. Als ich 2001 hierherkam, gab es (bis auf eine einzige gute Bäckerei in einer anderen Stadt) nur Supermarkt-Schlabberbrot zu kaufen. Inzwischen entwickelt sich hier so langsam eine Brotkultur. Auf Initiative zweier Hobbybäcker/Psychologen, die eine alte Mühle kauften und wieder in Betrieb nahmen, wird jetzt erstmalig überhaupt wieder in Maine Getreide angebaut (was wegen zunehmender Grossbetriebe im mittleren Westen Jahrzehnte nicht mehr geschehen ist). Es findet auch jedes Jahr eine „Kneading Conference“ in Skowhegan statt, wo sich Bauern, Müller, Bäcker (auch Hobbybäcker), Bierbrauer, Mitglieder der Amish-Gemeinden (die auf Elektizität und moderne Maschinen verzichten) treffen und austauschen. Sogar Supermärkte bieten inzwischen (neben ihren üblichen Sandwich Loaves) Brot örtlicher kleiner Bäckereien an.
        Natürlich trifft es zu, dass Grossbäckereien immer noch versuchen, ihr massenproduziertes Brot als sogenanntes „Artisan Bread“ zu verkaufen, und Säuerungsmittel dazugeben, um Sauerteig vorzutäuschen. Aber offenbar nimmt das Bewusstsein der Verbraucher zu, dass Brot auch anders als labbrig und weiss sein kann. Roggen- und Urkornbrote erleben eine Renaissance, und selbst Grossmärkte kriegen diesen Trend langsam mit.

  5. Anton

    leider werden immer mehr Blogger von der Industrie zur Meinungsbildung
    missbraucht.
    Eine Einladung hier eine neue Knetmaschine dort .
    und dann “ die Industrie ändert sich “ seit ihr so naiv ???
    meine ihr wirklich was ihr dort hört ist die Wahrheit ?
    oder habt ihr 10000 Brote über die Anlage laufen lassen ?
    ich denke es waren nicht mal 100
    mehr schein als sein .
    Und wieder einen Blogger milde gestimmt

    Gruß Anton

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    1. brotdoc

      Hallo Anton,
      ich kann Dir versichern, daß mich in Rietberg niemand milde gestimmt hat. Ganz im Gegenteil, ich bin da hingefahren um die Möglichkeit zu nutzen, dort die Position der Hobbybäcker mal klar darzulegen. Ich kenne es nämlich nur zu gut wie das läuft: Wenn Du in Deinem Metier tätig bist, jeden Tag Deinen Soll bringst und über das Ganze nur mit jenen Menschen sprichst, denen es ähnlich geht, wirst Du betriebsblind. Die Reaktion mancher anwesender Bäcker habe ich ja beschrieben.
      Und geschenkt hat man mir da nichts. Alles in allem habe ich an dem Vortrag gut und gerne 20 Stunden in der Vorbereitung gesessen, dann noch jeweils 5-6 Stunden an den beiden Nachmittagen damit verbracht zwischen Haltern und Rietberg hin und her zu fahren und den Vortrag zu halten. Dafür habe ich zudem noch einen Nachmittag meine Praxis geschlossen. Rein wirtschaftlich habe ich damit ganz sicher ein Minusgeschäft gemacht. Solche Gedankengänge liegen mir aber fern – wie gesagt, diese Gelegenheit wollte ich nicht ungenutzt lassen.
      Vielleicht denkst Du noch mal drüber nach, was Du mir da gerade vorwirfst.

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  6. michael

    Hallo Björn

    Dieser Vortrag ist eine hervorragende Zusammenfassung der derzeitigen Situation des deutschen Brotmarktes. Insbesondere der zweite Teil zu gesundheitlichen Risiken funktionaler Lebensmittel ein Weckruf, der hoffentlich verstanden wird.

    Schlussendlich ist es auch Bloggern wie dir zu verdanken, dass diese Themen adressiert werden und langsam zu einem Umdenken führen. Wenn Mediziner heute feststellen das nahezu 10% der Bevölkerung Getreideprodukte nicht mehr vertragen ist dies ein Alarmsignal.

    Die Wege die Du aus dem Dilemma aufzeigst, sind vielleicht der Schlüssel zum Erhalt des handwerklichen Backens und sicherlich ein wichtiger Beitrag zur „Meinungsbildung“ gesunden Brots. Danke dafür.

    Herzliche Grüße Michael

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  7. Urs Berger

    Hallo Björn
    Ich bin zunehmend auch dazu übergegangen, Brot selber zu backen. Stehe aber – zugegeben – noch am Anfang. Wir hatten einfach mehr und mehr den feinen Brotgeschmack „von früher“ vermisst. Das Wertvolle und Schöne daran: Man bekommt wieder einen geschärften Sinn dafür, wie gutes Brot schmecken soll und der Respekt gegenüber „richtigem“ Brot steigt. Das hat nicht etwa dazu geführt, dass wir nicht mehr beim Bäcker einkaufen, sondern dass wir nur noch gute Bäckereien berücksichtigen. Man schätzt ein gutes, ehrliches Brot und bezahlt gerne den etwas höheren Preis.
    Ich finde es daher sehr erstaunlich und mutig, dass Dich die Profis zu diesen Vortrag eingeladen haben! So ganz wohl scheint es den industriellen Bäckern in ihrer Haut nicht mehr zu sein…
    Klar ist es ein Unterschied, ob wir zu Hause ein paar Brote backen, oder ob die industrielle Bäckerei mehrere Tausend Brote „auf den Punkt“ abliefern müssen. Der Wusch nach etwas Chemie im Teig ist da nachvollziehbar. Dass aber überhaupt darüber nachgedacht wird, werte ich schon als ein Zeichen für etwas „Morgenröte“ in der Branche. Dazu haben nicht zuletzt Blogs wie der Deine beigetragen. Vielen Dank dafür!

    LG Urs

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