Archiv für den Monat: April 2017

Vortrag: Natürliches Backen

Anfang des Jahres erhielt ich eine freundliche Anfrage der Firma Roland Mills United, einer großen Mühle in Bremen, ob ich anläßlich einer gemeinsamen Produktpäsentation in den Räumen  des Bäckerei-Großgeräteherstellers WPKemper in Rietberg einen Vortrag über „Natürliches Backen“ halten würde. Vor gestandenen Bäckermeistern und Backstubenleitern sowie Vertretern beider Unternehmen.

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Der Brotdoc zwischen den Produktpräsentationen

Trotz des absehbaren vor-urlaublichen Streß konnte ich mir das natürlich nicht entgehen lassen. Das Thema kommt offenbar langsam auch in der Fachszene wieder besser an. So hat die Rolandmühle begonnen, eine Rezeptlinie zu entwickeln, die mit Vorteigen, langen kalten Garen arbeitet und auf Zusatzstoffe verzichtet. Dazu wurden auch spezielle Mehlqualitäten entwickelt, die sich für solche Rezepte gut eignen. Also reiste ich in den vergangenen zwei Tagen zwei mal ins östliche Münsterland.

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Das Brot „Diva“ nach einem Rezept der Rolandmühle, mit speziellem Weizenmehl 1050, einem Poolish und langer kalter Gare über 20 Stunden. Ein richtig leckeres Brot.

Die Firma WPKemper entwickelt und produziert vor allem für die industrielle Brotherstellung Großkneter und Teigformungs-Automaten, die auch mit schwierigen Teigen (hohe Teigausbeute) inzwischen gut klar kommen und z.b. aus dem Stockgareteig in mehreren automatisch ablaufenden Arbeitsgängen fertig ausgerollte Baguetteteiglinge zaubern. Nach Aussage der Firma spielen alte Hemmnisse wie weiche Teige heute keine große Rolle mehr.

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„Pane Pur“, ein Teigformungs-Automat, der mit allen Teigen klar kommt

Mein Vortrag war zwischen den Präsentationen und einer Werksführung eingebaut. Eine für mich spannende Sache – wie würden die Fachbesucher auf meine Aussagen reagieren?

Vortrag-Natürliches-Backen-Rietberg

Zwar kritisch aber überaus fair muß ich sagen. Natürlich gab es Kritik, daß das alles zu aufwendig, zu teuer und vom Kunden womöglich gar nicht gewünscht oder diesem nicht verkaufbar sei. Doch es gibt wie ich finde inzwischen tolle Beispiele von Bäckern, die es wieder anders machen und erfolgreich damit sind. Zwei von ihnen habe ich im Vortrag genannt. Auch wurde seitens der Backstubenleiter gesagt, daß bereits viele von ihnen bei Broten wieder auf Zusatzstoffe verzichten und mit langen Reifezeiten arbeiten. Die Diskussionen verliefen dann ziemlich konstruktiv und haben vielleicht bei dem einen oder anderen zum Nachdenken angeregt.

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DAS ist ein Teigkneter 🙂

Alles in allem war es für mich hochinteressant und spannend, daß ich mal meine Einstellung und damit die Einstellung vieler Hobbybäcker einem Fachpublikum vorstellen konnte. Auch war es einerseits faszinierend, anderseits aber auch erschreckend, wie weit die Brotherstellung inzwischen automatisiert werden kann. Es gab gar den Prototypen eines Kneters zu bestaunen, der selbst entscheiden kann, wann der Teig hinreichend geknetet ist. Ingenieur- und maschinenbauerische Meisterleistungen, die weltweit exportiert werden und wohl stellvertretend für die Weltklasse des deutschen Maschinenbaus stehen können. Wenn jedoch Teigkneten automatisch läuft, die Gare auch und die Aufarbeitung ebenfalls: Was macht dann in Zukunft der Bäcker?

Stoff zum Nachdenken… ich fahr jetzt erst mal in Urlaub!

Roggenmischbrot 70/30 à la Werner

Roggenmischbrote 70/30 habe ich schon einige gebacken – an sich gesehen bietet dieses Mischungsverhältnis einen guten Kompromiss: fast vollen Roggengeschmack, aber noch genug Weizen (und dessen Klebergerüst), um etwas Elastizität in der Teigstruktur zu haben und damit ein schönes Brotvolumen zu erzielen.

Der Spielarten gibt es bei diesem Brot viele: mit Altbrot, mit Aromamalzstück, mit beidem und so weiter. Schelli hat ein paar tolle Rezepte hierfür in Petto. Was mir vor ein paar Monaten immer wieder ins Auge stach waren aber Bilder eines Roggenmischbrots von Werner Danz, die ihrer rustikal aufgerissenen Kruste wegen die Säfte ins Fließen brachten.

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Werner schrieb dazu, daß er zwei Spezialmehle mit hoher Wasserbindung dafür kombiniert hat. Alpenroggenmehl und das kleberstarke Tipo 0 Ciabattamehl aus Südtirol (das wir konsequenterweise Alpenweizenmehl nennen könnten 🙂 ). Beide Spezialitäten bekommt ihr bei bongu.de, das Rezept ist jedoch so konzipiert, daß es sich auch alternativ mit Roggenmehl 1370 und Weizenmehl 550 backen lassen dürfte, wenn ihr 6-7 % Wasser weglasst. Ist im Rezept vermerkt.

Das Ergebnis spricht optisch und geschmacklich für sich. Würziger Roggengeschmack paart sich mit elastisch-saftiger Krume, ein echter Genuß. Grazie mille lieber Werner für die Idee!

Mit diesem Rezept kehrt auch erst einmal etwas Rezept-Ruhe hier ein – Urlaub in Südostasien steht an. Ich wünsche allen Lesern ein schönes Osterfest!

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Mengen für 2 Brote aus der 1,5 kg Brotform (in Klammern für 1 Brot)

Sauerteig:
500 (250) g Roggenvollkornmehl
500 (250) g Wasser (45 °C)
50 25) g Roggenanstellgut
Die Zutaten gut verrühren und 12-14 Stunden von 30°C auf Raumtemperatur abfallend reifen lassen. Je länger er reift, desto würzig-säuerlicher wird später das Brotaroma.

Hauptteig:
Sauerteig
480 (240) g Alpenroggenmehl oder Roggenmehl 1370
420 (210) g Weizenmehl Tipo 0 kleberstark oder Weizenmehl 550
648 (324) g Wasser (40 °C) oder 550 (225 275) g bei Normalmehlen
28 (14) g Salz
12 (6) g Frischhefe
28 (14) g Honig

Alle Zutaten im Kneter für 9-10 Minuten bei langsamer Geschwindigkeit gut verrühren.

30 Minuten ruhen lassen. Auf die gut bemehlte Arbeitsfläche geben und in zwei Teile von ca. 1330 g teilen. Beide Teiglinge bemehlen, rund wirken, dabei dafür sorgen, daß einige längliche Falten auf dem Teigrücken entstehen. Den Teigling umdrehen (Falten unten) und mit Teigkarte und Hand noch etwas gleichmäßig rund schieben.

Mit dem Schluß nach unten für 50 Minuten in ein Gärkörbchen legen, die Reifezeit ist absichtlich etwas kürzer gehalten, damit das Brot noch schön aufreißt beim Backen.

Auf den Einschießer kippen, die Risse ein wenig anreißen lassen und dann einschießen bei 240°C. Nicht schwaden für 2 Minuten, dann leicht schwaden, so reißen die Risse noch schön tief ein. Die Brote abfallend auf 210°C für 50-60 Minuten abbacken.

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