Archiv für den Monat: März 2017

Bigabrot

Der Butterstuten und die dabei vorgestellten neuen Backstahl-platten haben erfreulich viele Kommentare und Diskussionen von Euch hervorgerufen. Dafür danke ich sehr – genau dafür blogge ich! Einer ging sogar so weit zu den Platten anmerken zu müssen, ich würde hier alte Hüte ziehen und als neue Erfindung verkaufen 🙂 .
Nun ja, dem ist sicher nicht so. Mir ist sehr gut bewußt, daß ich hier nicht ein einziges Rad neu erfinde. Der Blog zeichnet meine Erfahrungen und Fortschritte auf, spiegelt auch ein wenig mein Leben wider. Wenn zum Beispiel mal länger nichts neues im Blog erscheint, rotiere ich mit großer Wahrscheinlichkeit an anderer Stelle oder genehmige mir „mal wieder“ Urlaub.
Gerade war wieder so eine Rotations-Phase, erst der Backkurs in Münster, dann die Vorbereitung eines Vortrages den ich nächste Woche halten darf, daneben der normale Praxisbetrieb, die Organisation eines Grundstückskaufs und die obligatorischen zwei Tage Fieber, die in längeren Streßphasen als gelbe Karte verstanden werden wollen.
Trotz Fieber war am vergangenen Wochenende der Froster leer, alles Brot verspeist und eine weitere Woche, in der drei hungrige Mäuler Schulbrote benötigten, stand an. Mit wackligen Knien habe ich gezwungenermaßen Samstagabend noch einen Biga geknetet aus Weizen 1050 und damit am Sonntagmorgen vier Vorratsbrote gebacken. Nichts Besonderes. Der Biga und der milde Weizensauer machen das Brot zu einem mildwürzigen Genuß, genau das richtige für unsere Schülerinnen.

Feinporig und mildwürzig, das Bigabrot

Der Teig ist sehr gut auch freigeschoben zu backen, ich habe die Kästen nur des Scheibenquerschnitts wegen verwendet.

Mengen für 4 Brote aus der 1 kg Kastenform (in Klammern für 1 Brot)

Biga:
500 (125) g Weizenmehl 1050
275 (69) g Wasser
0,5 (0,1) g Frischhefe
Gut zu einer glatten Teigkugel verkneten und 12 Stunden bei Raumtemperatur reifen lassen.

Hauptteig:
Biga
360 (90) g gelagerten Lievito Madre aus dem Kühlschrank
1360 (340) g Weizenmehl 1050
1075 (269) g Wasser
18 (4,5) g Frischhefe
42 (11) g Salz
40 (10) g Butter

Alle Zutaten in den Kneter geben und 3 Minuten langsam, dann 7-9 Minuten schnell zu einem glatten Teig verkneten.
Diesen für 80-90 Minuten ruhen lassen.
Auf die Arbeitsfläche geben und gut entgasen. In 4 gleich große Stücke von 910-920 g teilen. Rund wirken und sofort lang stoßen. In die gefettete Form mit Schluß unten einlegen.
70-80 Minuten gehen lassen, der Rand der Form sollte erreicht werden.
Den Ofen auf 240°C vorheizen. Teiglinge längs je nach Garezustand mehr oder weniger tief einschneiden (ich war zu tief) und mit Wasser besprühen.
Sofort einschießen mit Schwaden. Auf 210°C reduzieren und etwa 50 Minuten backen. Erneut mit Wasser absprühen.

Da kracht die Kruste

Butterstuten

Wider Erwarten bin ich schon zuhause. Die Vorbereitungsarbeiten für Lutz‘ und meinen Backkurs in Münster liefen so reibungslos ab, daß wir beide nun die Beine noch mal hochlegen können.

Das gibt mir Zeit, eben das Rezept für die Butterstuten abzutippen, die ich gestern als Einweihung auf meinen neuen Backstählen gebacken habe. Die Benutzung von Stahlplatten als „Backstein“ im Haushaltsofen erfährt gerade in einschlägigen Facebook-Gruppen einen regelrechten Hype. Sie sind deutlich dünner als gebräuchliche Schamott-Steine und nehmen so weniger Platz im Ofen weg. Zudem ermöglichen sie es, zweietagig zu backen mit guter Untehitze auf beiden Etagen.

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Die beiden Stahlplatten im Ofen

Eine weitere Sache die mich gereizt hat war, den Abstand zur Oberhitze zu verkleinern, wie es in Profiöfen üblich ist. Ich habe mir also zwei Stahlplatten zuschneiden lassen. Da es sich um blanken Stahl handelt, der nicht rostfrei ist, habe ich sie unter mildem Protest der Familie gestern nachmittag mit Pflanzenöl „eingebrannt“. Den dabei entstehenden Geruch kann man sich als Mischung aus Pommesbudenabluft und angebranntem Topf vorstellen…

Nachdem das also erledigt war und die familiären Wogen sich wieder geglättet hatten, habe ich den Lieblings-Butterstuten unserer Kinder angesetzt um ihn im neu bestückten Ofen zu backen. Es hat sehr gut funktioniert, keine zu starken Röst-Effekte der Kruste waren zu beobachten. Die Brote waren allseits schön gebräunt, wie die Fotos zeigen.

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In den nächsten Wochen werde ich diese Stahlplatten auf Herz- und Nieren testen, um ihre Tauglichkeit für das Brotbacken zu klären.

Mengen für 4 Kastenbrote aus der 1 kg-Form (in Klammern für 1  Brot):

Vorteig:
340 (85) g Weizenmehl 1050
340 (85) g Wasser
0,3 (0,1) g Hefe

Die Zutaten gut verrühren und 12-16 Stunden reifen lassen.

Hauptteig:
Vorteig
320 (80) g Lievito Madre aus dem Kühlschrank
1670 (417) g Weizenmehl 550 (oder T65 für einen noch süßlicheren Geschmack)
1030 (258) g Milch
40 (10) g Zucker
220 (55) g Butter
40 (10) g Frischhefe
36 (9) g Salz
(ggf. enzymaktives Malz 3-4 g wenn der Vorteig noch nicht so reif ist)

Alle Zutaten außer der Butter 5 Minuten langsam und 5 Minuten schnell kneten. Die Butter zum Schluß stückchenweise zugeben und bei schneller Geschwindigkeit in den Teig einkneten. Es sollte ein glatter, leicht glänzender Teig entstehen, der sich von der Schüssel löst und einen guten Fenstertest ermöglicht.

60 Minuten ruhen lassen.

In vier Teiglinge von ca. 950-970 g teilen und zunächst rund vorformen, dann lang ausformen. Mit dem Schluß nach unten in die Formen setzen.

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70-80 Minuten reifen lassen, bis sie gut über den Rand der Form hinausragen, eine kleine Kuppel bilden. Den Ofen auf 210°C vorheizen.

Mit Wasser besprühen und einschießen. Gut schwaden. Für 45-50 Minuten bei 200°C abbacken. Zum Schluß nochmals mit Wasser besprühen.

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Etwas zu früh angeschnitten doch der Doc musste ins Bett. Butterstuten-Krume um kurz vor Mitternacht.

Schweizer Bürli

„Was  lange währt wird endlich gut“ – diesen abgedroschenen Spruch muß ich nun doch einmal bemühen, wenn es um das von Schelli und Monika Drax schon lange angekündigte und in meinem Fall auch vor etwas weniger als einem Jahr in einer „Vorversion“ schon getesteten Ruchmehl.

Die Bürli, die ich damals damit gebacken habe, sind noch immer Gegenstand von Schwärmereien meines Vaters, der seinerzeit eine Ladung mit nach Hause bekam. Zum Ruchmehl selbst verliere ich nicht viele Worte – lest selbst bei Schelli nach, der sich viel Müh(l)e mit der Beschreibung und Beschaffung gegeben hat 🙂 . Es deckt sich auch mit meiner Erfahrung, daß klassische und als Schweizer Nationalgut zu betrachtende Brote aus Ruchmehl wie das Valle-Maggia-Brot mit den deutschen Pendants nur unter Schwierigkeiten nachzubacken sind. Den Mehlen fehlt einfach die Kleberstärke, die für sowas nötig ist, insbesondere wenn hierzulande ein Nachmehl (Typ 1600) als Ruchmehl verkauft wird.

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Auch mein Freund Kai wartet schon lange auf dieses Rezept, wie ich weiß. Hier ist es also. Die Teigausbeute liegt bei beängstigenden 188, aber keine Sorge, es ginge bestimmt noch einiges mehr. Dieses Monstermehl weckt aufgrund seiner extremen Wasseraufnahmefähigkeit sofort Erinnerungen an das violette Tipo 0 Ciabattamehl aus der gleichen Ursprungsmühle. Wobei hier eine süßliche malzige Note das Aroma aufs Beste verfeinert.

Edit: wie den Kommentaren zu entnehmen ist, werden Bürli auch im Plural ohne „s“ geschrieben und sind im Original in der Krume durch Verwendung von mehr Weißmehl heller und langfaseriger. Nichtsdestotrotz handelt es sich hier um ausgesprochen schmackhafte Ruchmehl-Bürli 🙂 . 

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Mengen für 8 stattliche Doppel-Bürli

Poolish:
220 g Ruchmehl
220 g Wasser
0,2 g Hefe
Gut vermischen und mindestens 12, besser 14-16 Stunden bei Raumtemperatur reifen lassen, so verstärkt sich das Aroma noch und wird das Endprodukt noch saftiger. Das liegt daran, daß ein sehr reifer Poolish mehr Enzyme in den Teig bringt.

Hauptteig:
Poolish
150 g Lievito Madre aus dem Kühlschrank (bestehend aus 100 g Weizenmehl 550 und 50 g Wasser)
480 g (+120 g) Wasser kalt
700 g Ruchmehl
8 g Frischhefe
22 g Salz

Alle Zutaten außer Frischhefe und Salz in den Kneter geben. 120 g Wasser ebenso noch nicht beigeben. Für 2 Minuten vermischen und dann 20 Minuten ruhen lassen. Die Ruhephase hilft, das enorm kleberstarke Mehl schon vorzuquellen und allzu lange Knetzeiten zu verhindern.

Salz, Frischhefe zufügen und gut 9 Minuten langsam verkneten. Sobald sich der Teig weitgehend von der Schüssel löst die Knetgeschwindigkeit auf die zweite Stufe erhöhen und das restliche Wasser schluckweise einkneten. Immer zwischendurch warten, bis das Wasser aufgenommen wurde.

Sobald alles Wasser im Teig ist und dieser sich wieder von der Schüssel ablöst das Kneten beenden und den Teig in eine eingeölte Teigwanne legen. Die Teigtemperatur sollte bei um die 24°C liegen.

Es folgt eine Stockgare von mindestens 2-3 Stunden, während der Teig zwei mal gedehnt und gefaltet wird. Alternativ kann dieser Teig auch nach einer Stunde Anspringen für 12-24 Stunden im Kühlschrank bei 5°C reifen, was ihm noch mehr Geschmack verleiht.

Sobald sich der Teig mindestens verdreifacht hat und gut mit Gärgasen gefüllt ist auf die bemehlte Arbeitsfläche kippen. Nach Augenmaß in 16 etwa gleich große Teiglinge teilen.

Diese einzeln vorsichtig rund formen indem einfach die Teigränder unter den Teigling zur Mitte geführt werden. Dies geschieht, um nur wenig Gärgase herauszudrücken. Jeweils zwei der Teiglinge auf dem Blech aneinander setzen. Mit dem Mehlsieb bemehlen.

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Den Ofen auf so heiß wie möglich vorheizen (250-280°C) und die Teiglinge eine Stunde abgedeckt reifen lassen.

In den Ofen einschießen und kräftig schwaden. Temperatur auf 240°C reduzieren und nach 2 Minuten nochmals schwaden, wenn der Ofen nicht so dicht schließt. Insgesamt 30 Minuten kräftig dunkel ausbacken.

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Mini-Holzofenbackkurs

Vor einigen Wochen fand ich einen wirklich netten Brief in meinem Postkasten. Der Heimatverein Lippramsdorf, eines der Dörfer die meine Heimatstadt umgeben, fragte an, ob ich nicht Lust hätte mit einigen backbegeisterten Mitgliedern einen Nachmittag am Holzbackofen im dortigen Heimathaus zu backen.

Das Heimathaus ist ein über 300 Jahre altes, komplett restauriertes münsterländisches Gehöft, das nördlich des Dorfs in den Feldern liegt.

Meine erste Überraschung war: die haben dort ein Backhaus mit Holzbackofen? Ich bin ja hier groß geworden in der Stadt und habe sogar als Schüler und Student und Jung-Arzt ingesamt 10 Jahre für die Lokalzeitung gearbeitet. In jener Zeit hatte ich natürlich auch Termine am Heimathaus – doch bis ins Backhaus bin ich nie vorgedrungen. Da dachte ich: manchmal sucht man das Glück in der Ferne, während es eigentlich so nah liegt.

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Anfeuern des alten Holzbackofens

Natürlich war ich auch überrascht, daß man mich gewählt hat – bisher habe ich außer dem Münsteraner Backkurs mich ja noch nicht als Kursleiter hervorgetan. Kommt hinzu, daß meine einzigen „Erfahrungen“ mit Holzbacköfen aus der Lektüre von Büchern und Blogartikeln darüber sowie aus einem Backtag bei Günther Weber in Zwiefalten bestanden.

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Herrliche Glut

Meine leichten Bedenken deswegen wußte Frau Gerding zu zerstreuen: Anfeuern und Steuerung der Backtemperatur würde sie übernehmen.

Also habe ich zwei Rezepte entwickelt bzw. umgerechnet, die ich für geeignet hielt, hintereinander in einem Holzbackofen gebacken zu werden. Ein kräftiges Roggenmischbrot mit Altbrotzusatz, das als erstes in den Ofen kommen sollte, und ein Kastenweißbrot, das in dem durch das erste Brot schon abgekühlten Ofen als zweites gebacken werden sollte.

Wie auf den Fotos zu sehen ist, steht dem Heimathaus ein alter Hubkneter von Diosna zur Verfügung, der sicher gut 15-20 kg Teig verarbeiten kann. Auch mit sowas hatte ich zuvor noch nie gearbeitet – muß aber sagen, daß die Knetergebnisse sehr gut waren!

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Waage vom Brotdoc aus dem 21. Jahrhundert neben dem alten Diosna-Hubkneter und der alten Bäckerwaage aus dem 20. Jahrhundert.

Der Nachmittag verlief sehr entspannt und informativ – es bestand insbesondere großes Interesse an Sauerteigen und daran, wie sie geführt werden. Mein mitgebrachter Roggensauerteig hat nun mindestens 7 oder 8 Ableger in Lippramsdorf. Probleme gab es mit den Teigtemperaturen. Die Backstube ist heute das erste mal wieder geheizt worden nach dem Winter. Die von mir gewählte Schüttwassertemperatur reichte nicht aus, um den Roggenteig auf eine gute Temperatur zu bringen. Der Weizenteig hat sich im Hubkneter deutlich weniger erwärmt, als ich es von Spiralknetern kenne.

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Ausräumen der Glut

Dadurch verlängerten sich Stock und Stückgare unplanmäßig, so daß der Steinofen noch einmal nachgeheizt werden musste. Das Nachheizen hat ihn dann heißer gemacht, als er sein sollte. Im Ergebnis haben die Roggenbrote zu schnell „Farbe“ bekommen und sind nicht so wie geplant rustikal aufgerissen. Die Weißbrote haben wir dann, wenn auch noch immer etwas untergar, in den zum Glück vorhandenen großen Küppersbusch-Etagenöfen backen können.

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Roggenmischbrot karbonisiert und zu früh angeschnitten.

Ich denke, daß alle zufrieden und um Erfahrungen und Wissen reicher wieder heimfuhren. Eingeschlossen meiner Person. 🙂

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Duftige Kastenweißbrote…

Es wird sicher ein nächstes Mal geben und ich kann mir gut vorstellen, dort auch allgemeine Kurse zu geben. Dann sicher mit mehr Zeit und einem nicht so heißen Holzbackofen.