Archiv für den Tag: 19. Februar 2017

Herstellung: Rosinen-Hefewasser

Das Ansetzen und Pflegen eines eigenen Sauerteigs gehört zu den größeren Hürden für alle, die das Brotbacken zuhause betreiben wollen. Doch was wäre Brotbacken, wenn Hobbybäckerin und -bäcker sich auf reine Hefebrote beschränken würde?

Sauerteig ist DIE Zutat, die ein Brot wirklich individuell macht. Jeder Sauerteig ist ein wenig anders, jeder schmeckt ein wenig anders und riecht anders. Sauerteig kann aber auch zickig sein, das Brotbacken deutlich unberechenbarer machen. Nichtsdestotrotz führt meiner Meinung nach nichts an ihm vorbei.

Wie kommen wir also zu einem eigenen Sauerteig? Wie immer führen viele Wege nach Rom und wo immer ihr langgeht entscheidet, was Euch auf dem Weg widerfährt. Dietmar hat wie ich finde sehr schön zusammengefasst, welche besonders gut ausgebauten Straßen nach Rom führen.

Unter diesen Wegen befindet sich eine Schnellstraße, die ich noch nie genommen habe. Das Rosinen-Hefewasser als Möglichkeit, rasch zu einem triebfähigem milden Sauerteig zu kommen. Valesa Schell hat ebenfalls kürzlich darüber geschrieben.

Erinnerungen an Bernds Bakery werden dabei wach. Im leider nicht mehr aktiven Blog hat der Schweizer Hobbybäcker Bernd bis 2014 klasse Bio-Brotrezepte verbloggt, die meist auf Basis von Wildhefewasser entstanden. Unvergesslich sind mir auch viele spektakuläre Facebook-Videos von Beesham Soogrim, einem Meisterbäcker aus Schweden, der sich der Wildhefe- und Sauerteigbäckerei verschrieben hat. In einem Youtube-Video demonstriert er die verschiedenen Möglichkeiten, die sich aus spontan fermentiertem Hefewasser ergeben.

Kommen wir also nun zur Sache. Wie mache ich mir Rosinen-Hefewasser und wie funktioniert das überhaupt?

Wir nutzen hier aus, daß sich auf der Oberfläche der Rosinen ganz natürliche und unschädliche Nektarhefen Bierhefen und andere Mikroorganismen befinden, die mit Wasser und Wärme zur Einleitung einer alkoholischen Gärung befähigt sind. Auf diesem Wege hat die Menschheit irgendwann den Wein „er-funden“. Wir geben noch Honig hinzu – auch dieser steuert Nektarhefen bei, aber auch Fructose und Glucose, welche den Wildhefen als Nahrung dienen und den ganzen Prozeß beschleunigen.

Meine Methode gleicht der von Dietmar Kappl, bloß habe ich eine kleine Aversion gegenüber PET-Flaschen und kaufe mein Wasser noch immer in Glasflaschen. Eine solche kann ebenso gut verwendet werden, hält sogar womöglich den entstehenden Gasdruck noch besser aus, als ihr PET-Pendant. Bei Valesa habe ich gesehen, daß sie eine gläserne Milchflasche mit breiterem Hals nimmt – das ist sicher hilfreich wenn die Rosinen irgendwann mal raus sollen aus der Flasche.

Edit (26.02.17): Wie in den Kommentaren unten zu lesen ist, kann sich in den Flaschen ein wirklich extremer Druck aufbauen, wenn sie nicht regelmäßig geöffnet werden. Wer einem Bersten vorbeugen will, der sollte also mindestens ein mal täglich den Druck entweichen lassen oder sich aus der Hobbybrauerei einen Gärverschluß besorgen. Dieser läßt überschüssiges Gas aus der Flasche entweichen.

Rosinen-Hefewasser (Mengen für 1 L Glasflasche)
150 g Rosinen (ungeschwefelt, Bio-Qualität)
700 g Wasser (40°C)
60 g Honig (flüssig, Bio-Qualität)

Rosinen in die entleerte und heiß ausgespülte Flasche geben (sauberes Arbeiten verhindert unerwünschte Fremdgärungen). Das 40 Grad warme Wasser zugeben. Auf die Waage stellen und 60 g flüssigen Honig einfüllen. Die Flasche dicht zudrehen und mehrfach durchschütteln, bis sich der Honig im Wasser gelöst hat.

Diese Mischung auf eine laufende Heizung stellen (im Winter) oder in eine Gärbox (im Sommer). Wenn die Temperatur des Gemischs zwischen 25°C – 30°C gehalten wird, dann geht das Zeug „ab wie die Luzie“, wie wir hier in Westfalen sagen.

In meinem Fall konnte ich bereits nach nur etwas mehr als 24 Stunden Gasbildung beobachten und nach 48 Stunden war das Zeug sowas von reif… Hier ein Hinweis für alle, die es nachmachen wollen. Bitte öffnet die Gefäße vorsichtig und langsam. Im Gefäß kann sich ein enormer Druck aufbauen! 

So sieht es aus, wenn eine Flasche reifes Hefewasser geöffnet wird:

[youtube https://www.youtube.com/watch?v=C_Yzk5VFsR0&w=560&h=315]

Es duftet fruchtig, alkoholisch, in etwa so wie neuer Wein (Federweißer, Sturm usw.). Sehr ansprechend.

Und nun?

Aus einem reifen Hefewasser kann ein Sauerteig / Lievito Madre angesetzt werden. Das günstigste Vorgehen ist folgendes:

Ansatz 1
200 g Hefewasser (durch ein Sieb abgeseiht)
200 g Weizenmehl 550
Gut miteinander verrühren und 10-12 Stunden an warmem Ort reifen lassen. Der Vorteig sollte wie ein normales Poolish aussehen und fruchtig-weinig riechen (siehe unten).

Ansatz 2
200 g von Ansatz 1 (der Rest kann entsorgt oder mit verbacken werden)
200 g Weizenmehl 550
100 g Wasser (45°C)
Zutaten verrühren/verkneten und an einem warmen Ort (28°C) reifen lassen, bis es sich verdoppelt bis verdreifacht hat. Das kann 4-5 Stunden dauern, aber auch schneller gehen.

Ansatz 3
200 g von Ansatz 2 (Rest entsorgen oder verbacken)
200 g Weizenmehl 550
100 g Wasser (45°C)
Zutaten miteinander verkneten und an einem warmen Ort (28°C) reifen lassen, bis es sich verdoppelt bis verdreifacht hat. Das sollte nicht länger als 3-4 Stunden dauern.

Voila! Nun habt ihr einen triebfähigen milden Lievito Madre, den ihr ein mal wöchentlich füttert und zwischendurch im Kühlschrank schlafen schickt.

Diesen füttert ihr wöchentlich nach dem Schema 2 Teile alter Lievito Madre, 2 Teile Mehl und 1 Teil warmes Wasser weiter – so wird er Euch lange Freude bereiten. Natürlich ist es auch möglich mit dem Rosinen-Hefewasser einen Roggensauerteig zu starten. Dieser wird zunächst sehr mild sein und erst mit der Zeit ein kräftigeres Aroma entwickeln.

Natürlich eignet sich das triebkräftige Rosinen-Hefewasser auch dazu, Teige alleine zu treiben. Ein Experiment hierzu habe ich vergangenen Montag gemacht:

Rosinenwasser-Brot „karo-einfach“

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Schöne Krume bei einem leicht übergarem Querschnitt. Rosinenwasser-Brot.

Vorteig:
300 g Rosinen-Hefewasser gefiltert
300 g Weizenmehl 1050
Gut verrühren und 8-10 Stunden an warmem Ort reifen lassen.

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Reifer Rosinenwasser-Poolish

Hauptteig:
Reifes Rosinenwasser-Poolish
400 g Wasser (40°C)
700 g Weizenmehl 1050
22 g Salz

Alle Zutaten in den Kneter geben, 7-8 Minuten langsam und 3-4 Minuten schnell verkneten, bis sich der Teig fast komplett von der Schüssel löst.
Die Teigtemperatur sollte optimalerweise um die 28°C liegen.
An einem warmen Ort etwa 4 Stunden reifen lassen. Der Teig sollte sich verdoppelt bis verdreifacht haben.
Auf die Arbeitsfläche kippen und in 2 gleich große Teile teilen. Diese Teile vorsichtig aber straff lang wirken und im Gärkörbchen 60-90 Minuten reifen lassen (Schluß unten, Ziel: Verdoppelung des Volumens). Auf den Einschießer geben und in den gut vorgeheizten Ofen bei 250°C geben. Ggf. vorher einschneiden.
Kräftig bei auf 220°C abfallender Temperatur für 45-50 Minuten abbacken.

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Einkorn-Rustikus

Seit Wochen schwirrt mir schon eine Kombination von Einkornvollkorn mit dem Hartweizenmehl der Meraner Mühle im Kopf herum. Beides hocharomatische Getreidesorten, bei denen der Einkorn das nussige Aroma beisteuert und der Hartweizen eine leichte Zimtnote. Abgerundet wird das Ganze durch Lievito Madre und eine lange kalte Stockgare.

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Doch auch die Getreideeigenschaften sollten sich ergänzen. Einkorn mit seinem schwachen Kleber, der nur schwer die Gärgase hält, und Hartweizen mit seinem störrischen, harten, jedoch gut die Gärgase haltenden Kleber als Ausgleich. Das hat gut funktioniert.

Nach der kalten Stockgare wird es einfach nur zu einem rechteckigen Ciabattalaib geformt, noch etwa 45-60 Minuten reifen gelassen während der Ofen aufheizt und dann kräftig und heiß abgebacken. Im Ergebnis sieht man eine feinporige, wattige Krume die sich perfekt als klassisches Frühstücksbrot eignet. Hocharomatisch, leicht säuerlich und durch die hohe Teigausbeute schön saftig-feucht in der Krume. Lecker!

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Menge für 2 Laibe

360 g Lievito Madre aus dem Kühlschrank (bestehend aus 240 g Weizenmehl 550 und 120 g Wasser)
846 g Wasser (30°C), später noch 100 g Wasser (kalt) einkneten
636 g Hartweizenmehl
424 g Einkorn-Vollkornmehl
28 g Salz
9 g Frischhefe

Alle Zutaten bis auf Salz und Hefe und die vermerkten 100 g Wasser im Kneter 2 Minuten vermischen, bis keine Mehlnester mehr zu sehen sind. 20 Minuten quellen lassen.
Das Salz und die Hefe zufügen und 9 Minuten langsam kneten. Der Teig sollte sich weitgehend von der Schüssel lösen. Knetgeschwindigkeit eine Stufe erhöhen und schluckweise die 100 ml kaltes Wasser einkneten. Wenn sich der Teig wieder gut von der Schüssel löst das Kneten beenden.
In eine Schüssel oder Teigwanne (es hilft später beim Formen, wenn das Gefäß rechteckig ist) geben und 1 Stunde bei Raumtemperatur anspringen lassen. Danach ein mal dehnen und falten.
In den Kühlschrank bei 4-5°C stellen (abgedeckt) und 12 Stunden dort reifen lassen.
Am Backtag den Ofen auf 250°C mit Backstein vorheizen. Den Teig auf die gut bemehlte Arbeitsfläche kippen. Rückseite auch gut bemehlen. In der Mitte nach Augenmaß in zwei gleich große Stücke teilen. Die beiden Rechtecke von den langen Seiten her zur Mitte übereinanderfalten und gut zusammenzwicken, so daß ein länglicher Laib entsteht.
Diesen wenden und auf ein Lochblech oder den Einschießer legen (Schluß unten). Während der Ofen aufheizt etwa 45-60 Minuten abgedeckt reifen lassen.
Rautenförmig nicht zu tief einschneiden und direkt in den Ofen mit Schwaden einschießen. Kräftig abfallend auf 240°C, mindestens 35 Minuten ausbacken bis die Kruste dunkelbraun ist.

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