Archiv für den Tag: 9. Januar 2017

Sehnsuchtbrot

Bin zurück aus Österreich. Ein weiteres Jahr haben wir die Festtage im Kinderhotel Post im Salzburger Land verbracht. Des „Rundum-Sorglos-Pakets“ wegen. Sorglos für alle Urlaubenden, nicht nur für die Kinder. Denn während diese sich austoben können sich auch die Eltern einmal verwöhnen lassen. Und müssen nicht in ihrem Urlaub auch noch Tag und Nacht als Entertainer fungieren.

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Das Dorf Unken im Salzburger Land – in diesem Jahr ein Wintertraum

Manch kaustisch (im konstitutionellen Sinne) eingestellten Menschen würde bei dieser leicht dekadenten Art Urlaub zu machen wohl das schlechte Gewissen zermartern – doch wenigstens einmal im Jahr dürfen wir das. Einmal nicht alles selbst machen müssen – das muß mal sein.

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Bei solchen Anblicken komme ich immer ins Träumen…

Sorglos im Übrigen auch deshalb, weil 800 Kilometer Abstand von allen familiären Festtags-Verpflichtungen nun wirklich ausreichen, von diesen entbunden zu sein.

Auch wenn im Hotel noch immer Wert auf gute Speisequalität gelegt wird, ist leider sämtliches Brot (wie ich in den letzten Jahren schon beklagt habe) einfachste Industrie-Backmischungsware. Kornspitz und Co., „Griaß di‘ Backaldrin!“, Tüte auf, Wasser drauf. Falls Sie das hier zufällig lesen, Herr Unseld, hier gibt es meiner Meinung nach den größten Bedarf an Qualitätssteigerung in Ihrem Haus. Und das ist ganz sicher nicht arrogant gemeint, sondern konstruktiv. Es gibt so gute Bäcker in Österreich.

Natürlich steigert sich im Laufe der Wochen die Sehnsucht auf wahres Brot. Brot, das aus wenigen reinen Zutaten besteht, das durch Vorteige und lange Reifezeit einen so wunderbaren Geschmack entwickelt, daß es außer Butter nichts mehr darauf braucht.

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Sehnsuchts-Brot – Weizen in seiner besten Form. Aroma ohne Ende.

Ein solches Brot habe ich gestern gebacken. Weizen von seiner besten Seite. Mit einem Vollkorn-Poolish, einem milden Lievito Madre, wenig Hefe und etwas aktivem Malz, das die Krume saftiger macht. Kräftig und mutig dunkel ausgebacken. Darauf habe ich mich jetzt schon mindestens 3 Wochen gefreut. Ein Aromen-Feuerwerk.

An sehr warmen Tagen oder bei sehr reifen Vorteigen würde ich das aktive Malz weglassen.

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Ja, die Einschnitte habe ich nicht optimal hinbekommen. Das schafft ihr sicher besser!

Mengen für 2 Brote von ca. 1300 g Teigeinwaage (in Klammern für 1 Brot)

Vorteig:
230 (115) g Weizenvollkornmehl
230 (115) g Wasser
0,3 (0,2) g Frischhefe
Alle Zutaten gut miteinander verrühren und 12 Stunden bei Raumtemperatur reifen lassen.

Hauptteig:
665 (332) g Wasser (handwarm)
330 (165) g Lievito Madre TA 150 aus dem Kühlschrank (bestehend aus 110 g Wasser und 220 g Weizenmehl 550)
1050 (525) g Weizenmehl 1050
34 (17) g Salz
10 (5) g Frischhefe
(4 (2) g Backmalz enzymaktiv, kann auch wegbleiben)
(60 (30) g Roggen-Anstellgut aus dem Kühlschrank, nur wer mag)

Alle Zutaten in den Kneter geben und 3 Minuten langsam kneten.
Auf zweite Knetstufe erhöhen und 8-9 Minuten so auskneten, daß ein glatter Teig entsteht, der sich fast komplett von der Schüssel löst.  Die Teigtemperatur sollte bei ca. 25-26°C liegen. Den Teig in der Schüssel 90 Minuten lang ruhen lassen.

Aus der Schüssel auf die bemehlte Arbeitsfläche kippen, Teig etwas entgasen. In zwei Teigbatzen von je ca. 1300 g teilen. Diese rund wirken. Mit dem Schluß unten für 20 Minuten ruhen lassen. Die rund vorgeformten Teiglinge lang wirken und den Schluß gut zudrücken. Die beiden Seiten des länglichen Teiglings etwas flacher rollen, aber nicht ganz so spitz wie bei einem Bâtard.

Gut bemehlen und mit Schluß oben in ein Gärkörbchen legen. 80-90 Minuten aufgehen lassen (knappe Gare) bei Raumtemperatur.

Auf den Einschießer kippen und quer viele Male einschneiden, nicht zu tief.

Mit viel Dampf bei 250°C im Ofen bei Ober-/Unterhitze anbacken, nach Abschluß des Ofentriebs auf 215°C reduzieren und für 60 Minuten mutig ausbacken, wenn das Mehl auf dem Brot beginnt sich hellbraun zu färben (s. Foto) und die Kruste eine tiefbraune Farbe hat, dann ist es gut.

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Eigentlich könnte ich sofort wieder zurück – doch man kann nicht alles haben. „In dubio de bonis panem“ – oder so ähnlich