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Brotreise: Günther Webers Lorettohof…

Dieses Wochenende stand meine nächste Back-Reise an: Günther Weber und Lutz Geißler hatten zum „Tag der schreibenden Selberbäcker“ auf den Lorettohof Zwiefalten geladen. Neben den beiden bekannten Backbuch-Autoren waren auch Roswitha Huber und Monika Drax eingeladen, die beide ausgesprochen schöne Brotbackbücher geschrieben haben, die ich sehr schätze. Gemeinsam sollten die Bücher vorgestellt und aus ihnen gelesen werden, und es sollte gemeinsam gebacken werden.

Damit bot sich endlich einmal die Gelegenheit, den Lorettohof zu besuchen. Wovon ich schon träume, seit ich Günther Webers Buch das erste Mal in meinen Händen hatte. Quasi im Nachgang konnte ich mich noch in die Vierertruppe einklinken – hatte ich ja auch eine gewisse Rolle im Entstehen des zweiten Brotbackbuchs gespielt. Meine Familie war auch interessiert – so machten wir uns Samstag früh morgens um halb-sechs auf die Socken in Richtung Schwäbische Alb.

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Der Lorettohof
Fünfeinhalb Stunden später, ein mal Verirren eingerechnet, waren wir dort. Der Lorettohof wurde an einer im wahrsten Sinne des Wortes gesegneten Stelle errichtet. Nämlich um eine auf einer einsamen Anhöhe stehenden, mehr als 300 Jahre alten Kapelle herum, die von nichts als weiten Feldern, Hügeln, Tälern und Wäldern umgeben ist. Der Blick schweift kilometerweit über das Land und nur in der Ferne lassen sich einzelne andere Gehöfte erkennen.

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Kilometerweiter Blick..

Der Hof selbst ist uriger, als man es sich vorstellen kann. Kleine Häuschen, mal älter, mal etwas moderner gruppieren sich um einen zentralen Hof vor der Kapelle herum, mit altem, Schatten spendendem Baumbestand und liebevoll bepflanzten Gärtchen und Kräutergärtchen.

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Einfach nur schön

Mir als Bewohner einer Kleinstadt in Ruhrgebietsnähe fiel als erstes die Abwesenheit jeglichen Hintergrundrauschens der Industriegesellschaft auf. Keine Autobahn in 3 km Entfernung, deren Geräusche vor allem Nachts noch gut vernehmbar sind. Keine Eisenbahnstrecke, die mindestens viertelstündlich befahren wird. Diese Erfahrung ist immer wieder beeindruckend, schon in meiner Kindheit beim Urlaub auf abgelegenen Alphöfen im Allgäu. The sound of silence.
So manche Nacht habe ich schon davon geträumt, einmal an einem solchen Ort zu leben.

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Die Eingangstür zur Bäckerei

Günther Weber hat sich diesen Traum erfüllt. Allen Unbillen zum Trotz backt er seit über 20 Jahren auf diesem landschaftlichen Kleinod naturbelassene Brote und Backwaren nach traditionellen Methoden, die von ihren Käufern so sehr geschätzt werden, daß diese mit dem vergleichsweise kleinen Sortiment mehr als zufrieden sind. Hier hat sich etwas erhalten, das in meiner Gegend lange vergangen ist: die Wertschätzung guten Brotes und sauberer Backwaren aus natürlichen Zutaten. Daß es so etwas noch gibt… wundervoll. Seid mir nicht böse, daß ich so schwärme, doch die Eindrücke sind noch sehr frisch. Ich weiß, daß das Leben auch auf Loretto nicht immer ein Zuckerschlecken ist.

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Günther in seiner kleinen Backstube

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Moritz zieht gerade die frischen Zwetschgenkuchen aus dem Holzofen…

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Ein unbeschreiblicher Genuß, wie ich nun weiß…

Der „Tag der schreibenden Selbstbäcker“
Günther und Lutz waren schon in der Backstube bei unserem Eintreffen, Günther bei der Vorbereitung der Kuchen und Salzkuchen für den Nachmittag, Lutz beim Abwiegen der Zutaten für seine beiden Brotteige, die nachmittags gebacken werden sollten. Nach kurzem Hallo und einer kleinen Backstubenbesichtigung konnte auch ich mich hilfreich betätigen. Die Teige wurden bereitet und für die Stockgare in den kühlen Keller verbracht.
Nach und nach trafen die beiden anderen Autorinnen sowie die ersten Gäste ein. Monika Drax kannte ich schon von meinem Besuch in Meran, Roswitha Huber lernte ich nun bei einer kleinen Vesper kennen. Unter den Gästen auch Martin „Pöt“ Stoldt, ebenfalls Buchautor und Chef des legendären „Sauerteigforums“ und Frank Wilke. War schön, Pöt und Frank, Euch auch kennenlernen zu dürfen.

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Dann nahte der „offizielle Teil“. Ab 14.30 Uhr standen die Buchvorstellungen und die Lesungen auf dem Programm. Mittlerweile hatte sich eine stattliche Anzahl von Gästen versammelt, die bei kühlen Getränken und den göttlichen Kuchen und Backwaren von Günther Weber das herrliche Wetter genossen.

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Viele Interessierte hatten sich eingefunden..

Nach der Vorstellung durch Günther hatte ich die Ehre, einige Zeilen aus dem Brotbackbuch Nr. 2 zum Thema „Was ist gutes Brot?“ vorzutragen. Lutz folgte mit einer Rezeptbeschreibung, aus der deutlich wurde, wie wir gutes Brot backen können. Monika Drax las daraufhin aus ihrem Buch, gefolgt von Roswitha Huber, die eine anrührende Geschichte über eine Krapfenbäckerin in Burkina Faso erzählte. Günther Weber machte den Abschluß.

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Günther und Roswitha

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Ich mit ungewohntem Mikro

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Lutz, professioneller 😉

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Monika

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Roswitha

Danach wurden noch unzählige Bücher signiert.

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Teil zwei des Hoftages fand dann in der Backstube statt, die dem Ansturm der Gäste fast nicht gewachsen war. Jeweils ein Seelenteig und einen Teig für schwäbischens „Genetztes“ Brot hatten Günther und Lutz nach eigenen Rezepten hergestellt, die nun geformt und gebacken wurden. Auch hier durfte ich mich wieder beteiligen. Moritz, das ist Günthers Backkollege, hatte während der Lesung den Holzbackofen nochmals angefeuert und auf Betriebstemperatur gebracht.
Nach und nach wurden mit nassen Händen die Seelen aus dem großen Teig „ausgebrochen“ und mit Backblechen in den Holzofen befördert.

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Günther, mit vielen Gästen in der übervollen und durch den Ofen erhitzten Backstube

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Lutz und Günther

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Die Seelen, vom kundigen Auge des Bäckers geprüft

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Nach dem Backen mit Wasser abgesprüht

Dann war das „Genetzte“ dran, ein Brot, das ebenfalls aus dem großen Teigbatzen mit nassen Händen ausgebrochen, grob geformt und mit Hilfe eines feuchten Schöpflöffels („Schapf“) direkt in den Ofen eingeschossen wird.

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Günther wartet mit der Schöpfkelle („Schapf“), während Moritz und Lutz den Teig abwiegen

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Hinein mit dem grob vorgeformten Brot

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und ab in den Ofen

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Derweil kühlen die Seelen ab

Bald erfüllte ein wunderbarer Brotduft die Backstube und den ganzen Hof – alle Brote wurden schließlich gegen Spenden für einen guten Zweck an die Besucher abgegeben. So gingen – denke ich – alle zufrieden und erfüllt von einem wunderschönen Tag heim.

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Bei langsam sinkender Sonne die letzten Aufräumarbeiten

Auch ich fiel abends schon kurz nach neun Uhr in mein Bett. Es war ein tolles Erlebnis, für das ich Günther sehr dankbar bin.

Rezension: Das BrotBackBuch von Lutz Geißler

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Da liegt es nun seit einigen Tagen in meinen Händen, das „BrotBackBuch“ des Brot-Blogger-Kollegen Lutz Geißler. 270 Seiten geballes und konzentriertes Wissen über die Herstellung von Broten mit dem Anspruch, in Optik und Qualität den Backwaren von Handwerksbäckern nahe zu kommen. Hierbei hat sich der Autor zum Ziel gesetzt, eine Lücke in der deutschen Bibliographie für Hobbybrotbäcker zu füllen, nämlich ein verständliches und nicht zu sehr theoretisierendes Grundlagenbuch zu schreiben.

Daß es dazu kam, daß ein Hobbybäcker und nicht ein Profi dieses Buch schreiben konnte bzw. musste, ist auf den ersten Blick erstaunlich, gilt unser Land doch als Hort des guten Brotes, weltbekannt für die Vielfalt seiner Backwaren und die Kreativität seiner Bäcker. Bei näherer Betrachtung jedoch zeigen sich in den letzten Jahren unübersehbare Risse in diesem schönen Bild, bröckelt es an allen Ecken und Enden. Gebacken wird hierzulande immer seltener Tag für Tag frisch in der eigenen Backstube und immer weniger ausschließlich mit natürlichen Zutaten. Stattdessen schießen in allen Städten Backshops wie Pilze aus dem Boden, wo lediglich industriell gefertigte Tiefkühl-Teigwaren, die zum Teil sogar aus Ostasien herangeschafft werden, aufgebacken werden.
Die in den Backshops bestehenden Kampfpreise und die vermeintliche „Frische“ den ganzen Tag über zieht viele Menschen an, die diese Hintergründe nicht kennen.

Mehr und mehr Handwerksbäcker können in diesem destruktiven Wettbewerb nicht mehr wirtschaftlich arbeitenund schließen ihren Betrieb. Andere resignieren und setzen auf die gleichen Mittel wie die Backshop-Betreiber, nämlich die Verwendung von Tiefkühl-Teiglingen und Backmischungen. Entgegen den Beteuerungen der Branchen-Lobbyisten sehen wir derzeit dem Todeskampf eines alten Handwerks zu, ohne viel dagegen tun zu können. Womöglich wird man in 10 – 20 Jahren kein Brot aus rein natürlichen Zutaten mehr kaufen können.

Oder vielleicht doch?

In den letzten Jahren (verstärkt etwa seit 2005) füllt sich das Internet mit Foren und Food-Blogs, deren Thema die Selbstherstellung von Brot ist. Hobbybäckerinnen und -bäcker beschäftigen sich eingehend mit den Hintergründen zur Herstellung von professionellen Broten, bilden sich autodidaktisch und im gemeinsamen Austausch fort und diskutieren ihre Backerlebnisse- und ergebnisse. So manche von ihnen haben rasch ein Niveau erreicht, mit dem sie / er sich nicht mehr vor den Profis verstecken müssen. Das Wissen, das in der Bäcker-Branche mehr und mehr verloren geht, wird von diesen Menschen bewahrt, gefördert und vermehrt.

Einer von ihnen ist Lutz Geißler, der sich seit 2009 mit dem Brotbacken beschäftigt. Getrieben von einer unbändigen Leidenschaft und einem enormen Perfektionismus hat er sich in den letzten 4 Jahren ein erstaunliches Ausmaß an Wissen und praktische Fähigkeiten angeeignet. Der von ihm betriebene Plötzblog mit inzwischen mehr als 500 Rezepten rangiert verdientermaßen unter den Top-Ten der deutschen Food-Blogs. Inzwischen hat er mit seinem Blog in der überregionalen Presse Aufmerksamkeit erregt.
Das Besondere seines Blogs war und ist, daß der Autor seine Leser an seinen Erfahrungen teilhaben läßt, nicht nur mit geglückten Rezepten prahlt, sondern auch eigene Fehler zeigt und den Weg ihrer Beseitigung preisgibt. Unvergessen bleiben mir die 25 (!) Backversuche von „Baguette au levain“, die Geißler 2010 unternahm, um ein optimales Sauerteig-Baguette zu erhalten.

Aber zurück zum Anfang: Außer Fachbüchern des Bäckerhandwerks, die für Laien nur schwer verständlich sind, existierten bislang keine ernstzunehmenden Grundlagenbücher über die Brotherstellung in Deutschland. Man mußte bislang des Englischen mächtig sein, um sich ein solides Grundlagenwissen aus Büchern wie „Bread“ von Jeffrey Hamelman anzueignen. Deutsche Bücher für Hobbybäcker enthielten überwiegend unausgewogene Rezepte, die mehr auf Schnelligkeit und Unkompliziertheit setzten und wenn überhaupt nur spärliches und zum Teil falsches Grundlagenwissen vermittelten.

Nun ist dieser Mißstand behoben. Aus dem vorliegenden Buch, das optisch und inhaltlich seine Anlehnung an den Stil von Jeffrey Hamelmans „Bread“ nicht verhehlen kann, kann man nun endlich als Anfänger sowohl enorm viel über die Brotbacktheorie lernen, als auch erste Erfolge mit ausgewogenen Rezepten nach den Kriterien des „slow baking“ feiern.

Das Buch gliedert sich in drei große Bereiche: Auf eine kurze Einführung mit den wichtigsten Fachbegriffen, die für das Verständnis von Rezepten erforderlich sind, folgen 40 ausführliche Rezepte. Den dritten Teil des Buches bilden nicht weniger als 108 Seiten über die Grundlagen des Brotbackens.

Die Einführung ist aus meiner Sicht sehr wichtig, da ohne sie die unter Verwendung des „Bäckerlateins“ verfaßten Rezepte für den absoluten Laien nicht verständlich wären. Sie ist äußerst knapp gehalten und verweist auf den „Grundlagenteil“ am Ende des Buches, wenn Begriffe und Techniken einer ausführlichen Erläuterung bedürfen, um sie richtig verstehen zu können. Die Idee und Umsetzung der Einführung finde ich gelungen. Ich meine allerdings, daß man vor dem Nachbacken der Rezepte sich die Zeit nehmen sollte, den Grundlagenteil einmal durchzulesen, damit man man nicht ganz so unbedarft vor den Rezepten steht.

Der Rezeptteil ist in drei Bereiche gegliedert. Beginnend mit einfachen Rezepten für Anfänger ohne Verwendung von Sauerteigen folgen später Rezepte für Erfahrenere und zum Schluß anspruchsvolle Rezepturen, an denen sich auch Profis manchmal die Zähne ausbeißen dürften. Ich will im folgenden meine Eindrücke von den Rezepten wiedergeben, einige davon kenne ich in leicht abgewandelter Form aus dem Plötzblog und habe Backerfahrungen damit gesammelt.

Allgemeines:
Die Rezepte sind allesamt sehr ausführlich beschrieben. Alle Zutaten werden nicht allein in ihren absoluten Mengen genannt, sondern auch die sogenannten „Bäcker-Prozente“ angegeben, die es erfahreneren Hobbybäckern erleichtern, die Rezepte besser einzuschätzen und in andere Mengen umzurechen. Hierfür bin ich ausgesprochen dankbar, da ich häufig größere Brote backe, als Lutz. Grafiken und sehr schön gelungene Skizzen erläutern die Textbeschreibung, dies weckt Erinnerungen an Hamelmans Buch „Bread“. Neben einer ausführlichen Textbeschreibung findet sich auch eine stichpunktartige Beschreibung, die erfahreneren Bäckern zum Nachbacken ausreicht. Insgesamt habe ich selten so gelungene Rezeptbeschreibungen gesehen.
Einige Rezepte verlangen dem Hobbybäcker allerdings eine recht große zeitliche Flexibilität ab, die sich manchmal nur schwer in die Freizeitgestaltung von berufstätigen Menschen, die womöglich noch familiäre Verpflichtungen haben, integrieren läßt. Hier taucht im Hinterkopf manchmal die Frage auf: „Backst Du noch, um zu leben oder lebst Du schon, um zu backen :-)“. Diese Kritik kommt allerdings von jemandem, der in seiner Freizeit sicher wesentlich weniger strukturiert ist, als Lutz Geißler. Mir persönlich gelingt es einfach nicht, nach einer sehr strukturierten 60-Stunden-Arbeitswoche einen ganzen Tag die Küche in Beschlag zu nehmen, um einen minutiös vorgeplanten Backtag mit bis zu 10 verschiedenen Rezepten zu bestreiten. Ein solches Maß an Freizeit-Organisation geht mir irgendwie ab. Ich behelfe mir zugegebenermaßen häufig damit, z.B. die Vorteig-Reifezeiten auf 12-14 Stunden zu reduzieren, wodurch man ohne spürbare Nachteile ein Brot auch innerhalb eines 24-Stunden-Tages fertig backen kann.

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Ein Blick auf ein Rezept, man erkennt sehr gut die tolle Gliederung. Die Mengen habe ich aus urheberechtlichen Gründen unkenntlich gemacht.

Anfänger-Rezepte
Die Anfänger-Rezepte erscheinen mir allesamt sehr gut ausgewogen. Einzig beim „Körnerbrot“ gibt es durch die zutatenbedingte potenziell unterschiedliche Wasseraufnahmefähigkeit des Quellstücks eine Unabwägbarkeit, die zu einem zu weichen Teig führen kann. Aber dem kann man einfach dadurch begegnen, beim nächsten Backen dann weniger Anschüttwasser zu verwenden. Ansonsten dürften mit diesen Rezepten rasch Erfolge zu erzielen sein.

Fortgeschrittenen-Rezepte
Bei den Fortgeschrittenen-Rezepten wird es zum Teil etwas anspruchsvoller. Insbesondere mit der Garesteuerung und den Temperaturen muß man schon Erfahrungen gesammelt haben, sonst wird das Ergebnis schwerlich an das des damit äußerst erfahrenen Autors herankommen. Dies gilt z.B. beim „Dreier“, das nur Wenigen auf Anhieb wie im Buch gelingen dürfte. Auch kommen bereits bei diesen Rezepten die von Geißler häufig verwendeten großen Vorteigmengen zum Einsatz. Teils wird bis zu 50 % der Gesamtmehlmenge als Vorteig und Sauerteig angesetzt – z.B. „Rundbrot“. In Kombination mit den vom Autor vorgeschlagenen – aus meiner Sicht – recht langen Vorteig-Reifezeiten von bis zu 20 Stunden bei Raumtemperatur besteht hier ein nicht zu vernachlässigendes Risiko einer zu hohen enzymatischen Aktivität im Hauptteig. Wenn dies passiert, erhält man bei Weizenmischbroten Hauptteige, die nur unzureichend Kleber aufbauen können, sich nur schwer formen lassen, im Ofen breitlaufen. Roggenmischbrote werden dann gerne klitischig und bilden Krumenrisse aus.
Daß die Rezepte funktionieren können, zeigen die bestechend schönen Fotos im Buch und im Plötzblog. Ich persönlich hatte aber manchmal Schwierigkeiten beim Nachbacken solcher Rezepte.
Sehr überzeugend finde ich die Rezepte vom „Speckfettbrot“ und von der „Dinkelsonne“, die ich sicher nachbacken werde. Sehr schön beschrieben ist auch die Herstellung von Baguettes. Die Beschreibung der 2-Strang-Flechtung des „Mohnzopf“ ist zwar gut, aber hier wird man die auf der Internet-Seite des Brotbackbuchs zu findende Video-Anleitung zum Verständnis benötigen. Diese sollte man sich mehrfach ansehen und dann mit zwei Segler-Tampen üben.

Profi-Rezepte
Es geht gleich los mit einem richtigen Profi-Rezept: „Langbrot“. Die Verwendung von 45 % der Gesamtmehlmenge in Vorteigen mit langer Gehzeit, die hohe Teigausbeute und die Erfordernis einer punktgenauen Garesteuerung führen zu so manchem seitlich eingerissenen Brot, wenn man es gestipfelt backt. Zu Recht empfiehlt der Autor, dieses Brot bei Unsicherheit mit der Gare lieber einzuschneiden. Ich kann allerdings bestätigen, daß das Brot phantastisch schmeckt und sich der Aufwand lohnt.
Optisch ausgesprochen gelungen finde ich das Knospenbrot. Gut finde ich auch, daß beim „Französischem Baguette“ die Teigausbeute in einen Bereich gesenkt wurde, der es einfacher form- und transportierbar macht, als das Vorbild aus dem Plötzblog.
Vom Anspruch her empfinde ich die Rezepte aus dem Profi-Bereich bis auf wenige Ausnahmen (z.B. „Mediterranes Brot“, „Französische Baguettes“) als nur wenig „schwerer“ als die aus dem Bereich für Fortgeschrittene.

Nach den Rezepten folgt dann der lang ersehnte Teil, wegen dessen das Buch vor allem geschrieben wurde: das „Grundlagenbuch“. In diesem Teil des Buches versucht Geißler, dem Leser die theoretischen und praktischen Grundlagen des Brotbackens nahezubringen, deren Kenntnis es dem Hobbybäcker erst ermöglichen, mit seinen Ergebnissen denen der Profibäcker näher zu kommen. Von den absoluten Grundlagen über die Zutaten und Hilfsmittel, den biologischen und chemischen Prozesse im Teig während der Bereitung und während des Backens bis zur Wirk- und Backtechnik ist hier alles so erschöpfend beschrieben, daß eigentlich keine Wünsche offen bleiben. Kleine Tips und Tabellen lockern das Schriftbild auf und geben Zusatzinformationen auf einen Blick. Die Abschnitts-Überschriften sind wohl in der Intention, einen peppigeren jugendlichen Stil zu pflegen, etwas neckisch gestaltet. Überschriften wie „Fettes Brot“ und „Zucker und Peitsche“ muß man mögen. Dafür sind die Texte professionell und ausgesprochen verständlich geschrieben. Zum Schluß findet man sogar noch einige gängige Brotfehler und ihre Abhilfe aufgeführt. Für mich ist der Grundlagenteil ausgesprochen gut gelungen und wird seinem Anspruch in jeder Weise gerecht. Die von Schelli kritisierte mangelnde Genauigkeit / Ausführlichkeit in der Beschreibung der biologischen Prozesse geht meines Erachtens an der Zielsetzung dieses Buches vorbei, denn die Details dürften nur Lebensmittelchemiker interessieren. Diese Dinge wegzulassen kann auch nicht die Lösung sein. Wenn man weiß, daß Geißler aufgrund des beschränkten Platzes im Buch so manche Kröte schlucken mußte, dann wirft das ein anderes Bild auf die Ausführlichkeit der Texte.
Ein unschätzbarer Mehrwert des Buches ist die Internetseite des BrotBackBuchs. Hier besteht die Möglichkeit, Errata durchzusehen, mit dem Autor in Kontakt zu treten und Videoanleitungen anzuschauen. Man kann die dahinter steckende Arbeit des Autors nicht genug loben.

Fazit
Ich betrachte dieses Buch als den ersehnten „großen Wurf“ in der deutschen Brotback-Literaturszene und bin begeistert. Interessierten wird mit diesem Buch endlich ermöglicht, mit Hilfe eines Werkes an das Backen hochwertiger, gesunder und bekömmlicher Brote herangeführt zu werden. Der Ulmer-Verlag ist für seinen Mut nicht genug zu loben, Lutz Geißler die Möglichkeit zur Veröffentlichung eines Grundlagenbuchs zu geben. Ich könnte mir auch keinen besseren Autor hierfür vorstellen als Lutz, der sich wie fast kein anderer Wissen über die Thematik angeeignet und an unzähligen Backtagen praktisch erprobt hat.
Meine Kritikpunkte sind angesichts des Gesamtwerkes lediglich „Peanuts“, die auch als solche verstanden werden werden sollten. In meinem Bücherregal hat das „BrotBackBuch“ seinen berechtigten Platz direkt neben meinem absoluten Lieblings-Buch „Bread“ von Jeffrey Hamelman gefunden. Genau dort gehört es nämlich hin.