Archiv für den Tag: 5. September 2014

Ein Brief aus Australien / Teigtemperatur

Mel schickte mir aus Canberra/Australien den folgenden langen Brief, der viele interessante Fragen enthält. Ich habe daher gefragt, ob ich den Brief veröffentlichen darf und Zustimmung erhalten.

Hallo Bjoern,

ich schreibe aus Australien, wo ich angefangen habe Brot selbst
zu backen. Wie Du auch, habe ich dem Internet viel zu verdanken.

In unserer Familie wurde sehr wenig mit Hefe gebacken (keine Pizza, kein
Kuchen) und als mein Dad dann angefangen hat mit Brot, bin ich nicht allzulang spaeter
ausgezogen, hat also gedauert, bis ich mich an Hefe rangewagt habe.
Mittlerweile habe ich aber mein „Standardbrot“ ein Kasseler immer wieder
mal im Program, auch wenn mir oft die Zeit gefehlt hat zu backen.
Aber das Brot kann ich, je nach Jahreszeit, in ungefaehr 4 Stunden fertig haben.
Haengt erheblich von der Raumtemperatur ab. Die Australier haben es nciht
so mit der Isolierung und Canberra ist gerne mal Minusgrade nachts im Winter.

Ich bin ueber Deine Weissbrot und Broetchen Rezepte gestolpert.
Das ist was, was hier noch nicht geklappt hat. Alles immer zu fest, zu tocken und
zu kruemelig. Eventuell muss ich es laenger gehen lassen. Auch die
Kruste hat noch net geklappt.
Ein Foto von einem Backkurs mit Untergare vergleich hat mir gezeigt,
warum mein Brot manchmal – vor allem wenn es frisch ist – etwas
kruemlig-klumpig ist. Schmeckt trotzdem gut, aber ein wenig laenger gehen
lassen muss ich wohl ab und an.
Teigfuehrung ist halt so eine Sache, wenn die Kuechentemperatur
zwischen 4 und 12 Grad im Winter schwankt und mein Zimmer mit
Elektroheizung auch keine Konstanttemperatur hat.
Gaerzeiten sind dann relativ und es wird dann oft „Augenschein“ angewendet.
Aber man lernt halt dazu 😉

Weswegen ich schreibe? Ich habe drei SEHR einfache Roggenbrotrezepte.
Ausser der Backzeit muss man ungefaer 8 min Zeit zur Vorbereitung aufwenden.
Waerst Du interessiert? Es ist ein Sonnenblumenkernbrot, eine Variante davon mit Nuessen und Rosinen
und meine Pumpernickelvariante.
Kommt ohne Treibmittel aus, es werden nur Roggenvollkornmehl (oder grobes
Roggenmehl, es wird hier unter rye-meal verkauft mit wenigen glaube ich kleinen
Schalen Resten drin) und Roggenschrot (grob zerkleinerte Roggenkoerner – kibbled rye), Wasser,
Salz, Zucker, Rosinen, Nuesse und Zuckerruebensirup (oder wahlweise
golden sirup, treacle oder andere aehnliche sirups) verwendet.
Ist auch was fuer solche, die keine Hefe oder Sauerteig vertragen 😉
Da das Brot nicht aufgehen muss, sondern kompakt bleiben soll, waere Sauerteig
und Hefe nur fuer den Geschmack zustaendig. Ich finde aber, dass das Brot auch so gut schmeckt
und vor allem wenig Arbeit erfordert (aber 7-14 Stunden backzeit bei 120 Grad), gefolgt von
einer schrecklich langen Zeit (empfohlen sind 24 Stunden, ich warte meist 1-2) zum
Ruhen nach dem Backen vor dem Anschnitt 😉

Bei Interesse, gib Bescheid. Ich wage mich am WE mit meinen Mitteln mal
an das Weissbrot (Beginner Weissbrot). Ich wohne zur Untermiete und habe nur begrenzte Mittel, da muss
man improvisieren und da ich noch nicht weiss, wann und wohin ich ziehe und als Doktorand die
Mittel begrenzt sind, gibts auch keine Maschinen – alles von Hand – oder das Meiste 😉
Aber Baeckerleinen habe ich und den Mehltyp duerfte ich auch grob haben.
Laeuft hier unter „Plain Flour“ – ich habe mir sogar extra Frischhefe besorgt, die gibt’s hier in
Canberra nur an 2 Orten an 4 Tagen die Woche soweit ich weiss *lol
Ich werd’s aber auch mal mit Trockenhefe versuchen, die ist hier erheblich einfacher zu bekommen.
Muss ja auch regelmaessig machbar sein.

Gruessle Mel
Canberra, Australien

Ich lese mehrere Fragen aus Deinem Brief heraus:
1. Teigtemperatur:
Wenn Dein Raum sehr kalt und nicht richtig temperierbar ist, dann ist es ein gutes Mittel, Deinen Teig wärmer zu machen. Das wichtigste Instrument zur Steuerung der Gärzeit ist die Teigtemperatur. Die Raumtemperatur erst in zweiter Linie. Wenn Du Deinen nächsten Teig machst, nimm mal warmes Wasser (40 Grad), ggf. noch ein paar Grad mehr, denn auch Dein Mehl ist ja relativ kalt. Dann hast Du einen Teig, der zwischen 25-30 Grad warm ist und viel schneller geht. Er kühlt zwar dann wieder etwas ab aber es wird nicht mehr 3-4 Stunden dauern, bis das Brot reif ist.
2. Mehle in Australien
In den USA (vielleicht auch in Australien) ist es oft so, dass die Mehle glutenreicher sind als in D. Du brauchst also vergleichsweise mehr Wasser, als hier. Das könnte auch die Ursache Deines Problems sein. Erhöhe mal die Teigausbeute um 3-5 gegenüber meine Rezepten. Eine andere Methode wäre, Dein Weissmehl mit kleberschwächerem Kuchenmehl zu mischen, wenn Du so etwas bekommst. Ich würde mal das Verhältnis 1 Teil Kuchenmehl und 2 Teile Plain flour ausprobieren.
Es könnte auch sein, dass Du noch länger und intensiver kneten musst.
3. Trockenhefe schlecht?
Wenn Du eine gute Trockenhefe hast, dann ist sie nach meiner Erfahrung genau so gut wie Frischhefe. Die letzten Monate habe ich fast ausschliesslich mit Trockenhefe gebacken. Es macht die Sache viel einfacher, da nicht ständig frische Hefe im Haus sein muss, wenn mal spontan gebacken wird. Der Umrechnungsfaktor beträgt 1:3, also 1 g Trockenhefe entspricht 3 g Frischhefe.
Deine Rezepte werde ich mir in Ruhe mal ansehen.
Viele Grüsse,

Björn