Vielsaaten-Brötchen / Betrachtungen zur Entspannung

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Kaum gehen die Ferien zuende, häufen sich neben der obligatorischen Arbeit wieder die privaten Termine. Freizeitstreß – wie man ihn heute nennt. Oft ist jeder einzelne „Termin“ für sich gesehen schön und positiv, doch ihre Häufung an den Abenden der Wochentage und vor allem am Wochenende nimmt viel von der Zeit in Anspruch, die ich eigentlich für Ruhe bräuchte.

Wenn irgend möglich versuche ich, mein Leben an die Gesetze der Harmonie anzupassen. Der berühmte „goldene Schnitt“. Grob gesagt das Verhältnis 2:3, das sich in der Natur überall wiederfindet und als besonders harmonisch empfunden wird. Mathematisch kann man das natürlich viel genauer ausdrücken, aber davon verstehe ich nicht viel. Wahrscheinlich noch viel plumper übertragen auf den Arbeitstag heißt das für mich: 2/3 Anspannung und 1/3 Entspannung oder 16 Stunden Aktivität und 8 Stunden Ruhe. Oder 12 Stunden Aktivität und 6 Stunden Ruhe, wenn man eine Schlafphase von 6 Stunden herausrechnet. So zu leben beugt Burn-out und Depressionen vor, glaube ich.

Zurück zum Brotbacken: naturgemäß fällt bei Berufstätigen das Backen in die Zeit der 1/3-Entspannung. Wenn in diesen Entspannungsphasen jedoch noch Nachbarschaftsfest, Verwandtenbesuche, Klassenpflegschaftssitzungen usw. hineingepreßt werden müssen, wird es für das Backen knapp und für die Entspannung sowieso. Es helfen Rezepte, die sich trotzdem irgendwie umsetzen lassen, ohne das letzte bisschen Ruhe aus der Freizeit zu saugen und das Backen so zu zusätzlichem Streß werden zu lassen. Was es definitiv nicht werden sollte.

Mein neues Brötchenrezept kann recht gut „nebenbei“ umgesetzt werden. Ich habe für die Umsetzung einen Zeitvorschlag beigefügt. Es handelt sich um ein im Grunde einfaches Brötchenrezept, das aber durch ein Saatenbrühstück und Zugabe von gemahlenem Fenchel besondere Klasse gewinnt. Aktives Malz baut im Teig während der Gare die Stärke etwas zu Zucker ab. Die Hefen finden so mehr Nahrung und treiben besser, gleichzeitig erhält man eine intensivere Krustenfärbung. Angenehmer Nebeneffekt: die Krume wird weicher und saftiger.

Und ganz nebenbei: heute verabschiede ich mich von den Unter-Vierzigjährigen und mache mich in ein neues Lebensjahrzehnt auf.


Eine enorm saftige lockere Krume

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Menge reicht für 20 Brötchen (in Klammern für 10)

Vorteig
250 (125) g Weizenmehl 1050
250 (125) g Wasser (25°C)
0,2 (0,1) g Hefe
Vermischen und 12 Stunden bei Raumtemperatur reifen lassen.

Saaten-Brühstück
100 (50) g Leinsamen geröstet
50 (25) g Sesam geröstet
150 (75) g Wasser
In einem Topf die Saaten anrösten und danach mit dem Wasser übergießen. Das Brühstück kann 12 Stunden stehen.

Hauptteig
Vorteig
Saaten Brühstück
750 (375) g Weizenmehl 550
350 (175) g Wasser (20°C)
14 (7) g Hefe
21 (10) g Salz
30 (15) g Butter
15 (7) g Backmalz (aktiv)
3 (1,5) g Fenchel gemahlen

Vorteig und alle restlichen Zutaten außer dem Saaten-Brühstück im Kneter für 3 Minuten bei langsamer Stufe mischen. Auf die zweite Knetstufe erhöhen und 4-5 Minuten glatt auskneten. Das Saaten-Brühstück zufügen und bei langsamer Knetstufe für 3 Minuten unterkneten. Der Teig sollte wieder glatt sein und sich von der Schüssel lösen. Optimale Teigtemperatur 24°C.
Die Stockgare beträgt 45 Minuten, während der der Teig schon gut an Volumen gewinnt.
Auf der Arbeitsfläche Teiglinge von ca. 90-95 abstechen und rundschleifen. Sofort langstoßen und von allen Seiten befeuchten. Die Unterseite in Sonnenblumenkernen wälzen, die Oberseite in einer Mischung aus Mohn und Sesam.
Im Bäckerleinentuch für 45 Minuten mit der Unterseite nach oben reifen lassen. Für eine Übernacht-Gare ist das Rezept nicht geeignet, das Malz würde zu lange wirken und zu viel Stärke abbauen.
Wenden und einmal gerade länglich 1 cm tief einschneiden. In den gut vorgeheizten Ofen bei 250°C geben und sofort schwaden. Den Dampf für 10 Minuten im Ofen lassen, die Temperatur sollte auf 230° abfallen. Gesamte Backzeit 20-22 Minuten.

Die Unterseite der Brötchen überrascht mit knusprigen Sonnenblumenkernen
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BACKPLAN FÜR BERUFSTÄTIGE

A) In der Woche abends backen
6.00-6.30 Uhr Poolish ansetzen und Brühstück herstellen
18.30-18.50 Uhr Teig kneten
18.50-19.35 Uhr Stockgare
19.35-19.55 Uhr Teiglinge formen
19.55-20.40 Uhr Stückgare
20.40-21.00 Uhr Backen
Die reine Arbeitszeit beträgt zusammengerechnet nur etwas mehr als eine Stunde. Am Backabend gibt es ausreichend Zeit, sich neben und nach dem Backen noch anderen Dingen zu widmen.


B) Am Wochenende für das Frühstück backen

Vortag 19.00-19.30 Uhr Poolish ansetzen und Brühstück herstellen
7.00-7.20 Uhr Teig kneten
7.20-8.05 Uhr Stockgare
8.05-8.25 Uhr Teiglinge formen
8.25-9.10 Uhr Stückgare
9.10-9.30 Uhr Backen
Um 9.35 Uhr stehen die Brötchen frisch auf dem Frühstückstisch, wo sie von der gut ausgeschlafenen Familie noch warm verzehrt werden können. Der Bäcker hat zwar etwas früher als die anderen aufstehen müssen, konnte aber die Stock- und Stückgarezeiten nutzen, um z.B. zu duschen, sich anzukleiden. Den Tisch hat er gedeckt, während die Brötchen im Ofen buken.

32 Gedanken zu „Vielsaaten-Brötchen / Betrachtungen zur Entspannung

  1. nika

    Vielen Dank für den wunderbaren Zeitplan, die Brötchen sehen fantastisch aus. Ein Stündchen muss ich eher beginnen.
    Herzlichen Glückwunsch zum Jahrestag. Einen ähnlichen Jahrestag begehen wir heute auch.

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  2. evazins

    Herzlichen Glückwunsch! Ich bin schon seit ein paar Jahren dort und finde es viel weniger schlimm als erwartet. Die Gelassenheit nimmt zu.
    Und gern hätte ich neben den wunderbaren Rezepten auch philosophische Betrachtungen von dir. 🙂
    Liebe Grüße,
    Eva

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  3. ireneke156

    Ganz herzliche Glückwünsche und alles Gute – vor allem DIE Zeit, die dieses eine Drittel wirklich zulässt.
    Herrlich, deine Gedanken zu lesen!
    Das Rezept lockt zum Nachmachen, doch jetzt bin ich erst mal wieder in USA, wo das Backen eben doch anderen Gesetzen unterliegt.

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  4. Eva

    Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag! Wie jung noch = bewundernswert.
    Genieße DEINEN Tag!

    Danke für das schöne Brötchenrezept mit den Zeitplänen. Zur ersten Variante (abends backen, Brötchen sind um 21 Uhr fertig). Was machst du dann mit den Brötchen? nicht ganz fertig backen und einfrieren oder wie bewahrst du sie auf? (denn ihr esst ja sicherlich nicht abends um 21 Uhr so viele Brötchen)

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    1. brotdoc

      Hallo Eva,
      vielen Dank!
      Die Brötchen lasse ich auskühlen und packe sie nach 1 Stunde in eine Tüte oder in die Brotkiste. Am nächsten Morgen kurz in den Backofen oder auf den Toaster, dann sind sie wieder knusprig.

      Antworten
  5. nitzenplitz

    Guten Morgen, lieber Björn,
    auch von mir die herzlichsten Glückwünsche zum Geburtstag und alles, alles Gute für das neue und hoffentlich ganz entspannte Jahrzehnt! Danke für deine tollen Rezepte! Ich schätze es bei dir besonders, dass deine Rezepte auch für uns Berufstätige gut umsetzbar sind. Und deine heutigen Worte zur Entspannung treffen es mal wieder genau! Ich wünsche dir und uns allen, dass wir die Regel so oft wie möglich umsetzen können. In diesem Sinne, alles Liebe,
    Evi

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  6. Birgit

    Hallo Björn,

    Auch von mir herzlichen Glückwunsch!
    meine Frage: wie kann ich das Rezept auf Übernachtgare umstellen? Verzicht auf das aktive Backmalz? Muss ich sonst noch etwas beachten? Ich würde gerne das Brötchen formen am Morgen machen, da ich finde, dass die Brötchen dann besseren Ofentrieb haben als wenn ich sie bereits fertig geformt in den Kühlschrank stelle.

    LG
    Birgit

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    1. brotdoc

      Hallo Birgit,
      ja das ist möglich, indem Du das Malz wegläßt oder enzyminaktives Malz nimmst. Ggf. mußt Du auch die Hefe etwas reduzieren, jenachdem wie kalt Dein Kühlschrank ist.
      Grüße,
      Björn

      Antworten
  7. Petra Großmann

    Hallo Björn, herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag und Willkommen im Club 😉
    Dein Rezept, bzw. Backplan A kommt wie gerufen, denn ich darf meine Küchenkolleginnen am Dienstag mit Brötchen versorgen. Am Monatsanfang Frühstücken wir immer gemeinsam. LG Petra

    Antworten
  8. Evelyn

    Hallo Björn,
    viele gute Wünsche für das neue Lebensjahr und Durchhaltevermögen beim goldenen Schnitt, damit Du uns mit Deinen wunderbaren Beiträgen noch lange erhalten bleibst und nicht müde wirst, uns mit Deinen Rezepten zu beglücken.
    Danke für das heutige Rezept.

    Evelyn

    Antworten
  9. Ursula

    Alle meine besten Wünsche für das neue Lebensjahrzehnt! Möge das neue Lebensjahr gelingen und Sie ganz oft in Ihrer Mitte verweilen lassen! Mir bot das Backen in vier Lebensjahrzehnten einen Ort, wo ich ganz bei mir sein konnte – sinnliches Tun, erfüllende ‚Handarbeit‘! Ich wollte es mit keinem teilen! – Wie wunderbar, dass Sie es schaffen, diesen Blog zu gestalten – neben der beruflichen und familiären Zeit! Die ‚communitiy‘, wie es neudeutsch heißt, dankt es Ihnen auf das Herzlichste!

    Ursula

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  10. Karin Anderson

    Herzlichen Glückwunsch nachträglich, lieber Björn!
    Zum Glück hat Brotbacken ja etwas Meditatives an sich (es sei denn, man kommt der Ofentür unliebsam zu nahe), und wirkt somit beruflichem Stress entgegen.
    Auch im neuen Lebensjahr: Happy Baking
    LG, Karin

    Antworten
  11. Kim

    Auch von mir alles Gute !!
    Die Bröcthen sind mal wieder toll…gehen auch gute ohne Körner, als verhältnismäßig „schnelle und spontane“ Brötchen 🙂 !!

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  12. Pingback: Der Trägheit Lohn | Kochpoetin

  13. Anke und Jürgen

    Auch von uns noch alles Gute zum Geburtstag und viel Gesundheit im neuen Jahrzehnt.
    Das Brötchenrezept haben wir heute nach gebacken und wir sind begeistert. Sie schmecken wunderbar und werden bestimmt öfter gebacken.

    Liebe Grüße aus dem Norden
    Anke und Jürgen

    Antworten
  14. Pingback: Vielsaatenbrötchen | rezeptepenny

  15. Sadia

    Hallo Björn, die Brötchen sehen allesamt klasse aus und werden bald nachgemacht. Eine Frage dau habe ich aber noch, Backmalz gibt es bei uns nicht. Kann ich dieses weglassen oder alternativ ersetzen? Liebe Gruesse Sadia

    Antworten

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